Ein Jahr nach Fair-Food-Initiative
Das Tierleid geht weiter

Vor einem Jahr lehnte das Volk die Fair-Food-Initiative ab, weil es den Argumenten der Gegner glaubte, dass die bestehenden Tierschutzbestimmungen ausreichend seien. Eine Umfrage sorgt jetzt für Ernüchterung.
Publiziert: 28.09.2019 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2020 um 21:28 Uhr
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«Tierwohl ist den meisten Importeuren egal»: Regula Rytz, Parteipräsidentin Grüne.
Foto: Philippe Rossier
Dana Liechti

Tonnenweise Fleisch, Milchprodukte und Eier aus dem Ausland landen jedes Jahr auf unseren Tellern. Und das, obwohl es im Ausland teilweise kaum Vorschriften für die Tierhaltung gibt. Vor einem Jahr wollte die sogenannte Fair-Food-Initiative das ändern: Sie verlangte, dass nur importiert werden darf, was unter Schweizer Bedingungen hergestellt wird.

Die Gegner hatten beteuert, dass die bestehenden Import­bestimmungen ausreichen, um das Tierwohl zu gewährleisten, worauf das Stimmvolk die Vorlage ablehnte.

Nun hat der Schweizer Tierschutz (STS) untersucht, ob ­Detailhändler, Importeure und Gastronomie ihre Versprechen umgesetzt haben. Der Anteil an importierten Produkten, die Schweizer Standards entsprechen, wurde mit dem in Aussicht gestellten Wert verglichen.

Am schlimmsten ist es beim Schweinefleisch

Die Zwischenbilanz ist «ernüchternd», sagt Stefan Flückiger vom STS.
Beim Rindfleisch etwa stammt jedes dritte Edelstück noch immer von Tieren, die mit Hormonen gefüttert werden. Rund 54 Prozent des importierten Trutenfleischs und 20 Prozent des Poulets stammen von Tieren, die laut Tierschutz in fensterlosen Ställen, unter Dauerlicht und mit regelmässigen Antibio­tikagaben gemästet werden. Noch düsterer sieht es bei Pferde-, Schaf-, Lamm- und Kaninchenfleisch aus: Zwei Drittel werden unter Bedingungen produziert, die hier verboten wären. Dasselbe gilt für Milchprodukte.

Am schlimmsten ist es beim Schweinefleisch: 10'000 Tonnen werden jährlich importiert. Davon stammt kein Gramm aus Tierhaltung, die unseren Normen entspricht.

Die Resultate der Umfrage überraschen Regula Rytz, Mit­initiantin und Parteipräsidentin der Grünen, nicht. «Das Tierwohl ist den meisten Importeuren schlicht egal», sagt sie. Es sei deshalb skandalös, wie man das Stimmvolk bei der Fair-Food-­Initiative an der Nase herumgeführt habe. «Der Bundesrat hat das Blaue vom Himmel versprochen. Und passiert ist: ­genau nichts!»

Fehlende Kooperationsbereitschaft der Lieferanten

Beim Bund weist man die Vorwürfe von sich. Man setze sich national und international für ­sichere Lebensmittel von hoher Qualität ein, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Regula Rytz reicht das nicht: «Es müssen für alle Produzenten dieselben Spielregeln gelten. Es schadet auch unseren Bauern, wenn wir weiterhin billige Produkte importieren, die nicht unseren Qualitätsstandards entsprechen.»

Was sagen die Grossverteiler und der Gastronomieverband? Migros verweist darauf, bei vielen Produkten aus dem Ausland das Ziel erreicht zu haben, Schweizer Standards einzuführen. Man werde es aber nicht bei allen schaffen. Bei Truten-, ­Rind-, Kalb-, Schweine- und Lammfleisch sowie bei Wild und Milchprodukten sei eine vollständige Umstellung nur bedingt oder nicht möglich. Die Gründe: fehlende Kooperationsbereitschaft der Lieferanten, zu unregelmässige Geschäftsbeziehungen oder zu hohe Kosten.

Gastronomen «richten sich nach der Nach­frage»

Coop verweist darauf, dass man sich auch im Ausland für gute Haltung einsetze. Auf die Frage, ob und warum man noch Produkte führe, die nicht Schweizer Normen entsprechen, geht Coop nicht ein.

Ein Grossteil der Produkte aus dem Ausland wird in Restaurants und Kantinen verwertet. Beim Verband Gastrosuisse ist man sich der Problematik bewusst. Man lege Wert auf Tierschutz und informiere die Mitglieder über die Vorteile von Schweizer Fleisch. Aber die Verantwortung liege auch bei Händlern und Konsumenten. Gastrosuisse-Direktor Daniel Borner: «Die Gastronomen stehen am Ende der Wertschöpfungskette. Sie sind auf das verfügbare ­Angebot angewiesen.» Und: «Sie richten sich nach der Nach­frage.»

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