Alternative zum Industriefleisch
So sieht tiergerechte Schlachtung aus

Ab kommender Woche haben Bauern die Möglichkeit, ihre Rinder im eigenen Hof zu töten. Das mindert Tierleid und fördert nachhaltigeren Fleischkonsum. Die neue Verordnung könnte nicht aktueller sein.
Publiziert: 28.06.2020 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2020 um 21:28 Uhr
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In der Schweiz gibt es bisher nur eine Handvoll Betriebe, die eine Sonderbewilligung für Hof- oder Weidetötungen haben. Einer von ihnen ist Nils Müller aus Forch ZH. Seit 2014 hat er die Bewilligung. Damit ist er schweizweit ein Pionier.
Foto: FiBL
Valentin Rubin

Viele haben auf diesen Tag gewartet: Am Mittwoch, 1. Juli, tritt die neue Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle in Kraft. Dann ist es grundsätzlich ­allen Bauernhöfen möglich, eine Bewilligung zu bean­tragen, um ihre Rinder ­ selbst auf dem Hof oder auf der Weide zu töten. Der für die Tiere qualvolle Le­bend­transport zum Schlacht­­hof soll so entfallen. Die Tiere sollen dort sterben, wo sie gehalten wurden. Aus Sicht des Tierschutzes ein wichtiger Schritt.

Bisher haben sechs Höfe in der ganzen Schweiz eine Sonderbewilligung für eine Hof- oder Weidetötung. ­Pioniere im Land sind Nils Müller und Claudia Wanger aus Forch ZH. Seit 2014 haben sie eine Bewilligung für die Weidetötung. Ein weiterer Betrieb ist Cäsar und Lena Bürgis Hof Silberdistel in Holderbank SO. Seit zwei Jahren töten sie ihre Rinder selbst. Zwar nicht auf der Weide, aber im Hof.

Hoftötung war ein Grundsatzentscheid

«Ich wollte nicht, dass sich meine Tiere an die bisherigen Strukturen anpassen müssen», sagt Cäsar Bürgi. Daher habe er nach Alternativen gesucht und sich nach langem Hin und Her mit den Behörden für die Hoftötung entschieden. Es ist ihm wichtig: «Es war ein Grundsatzentscheid. Entweder man sorgt dafür, dass das Tierwohl an erster Stelle steht. Oder man sorgt dafür, dass die bestehende Infrastruktur am meisten Fleisch liefert.»

Mit der Idee der Hof- oder Weidetötung schwingt Grundsätzliches mit: Massentierhaltung vermeiden, nachhaltigeren Fleisch­konsum fördern. Georg ­Blunier aus Domleschg GR, einer von zwei Bauern im Bündnerland, die bereits Hoftötungen durchführen, erklärt: «Mit unserer Methode können wir nicht einfach masslos Fleisch pro­duzieren. Eine Hoftötung ist aufwendiger, teurer. Uns sind Grenzen gesetzt.» Das ist aber nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Er setzt auf Qualität statt Quantität. Zwanzig Rinder tötet Blunier jährlich auf seinem Hof. «Unser Fleisch ist nachhaltiger, qualitativ hochwertiger und gesünder.» Die Menschen müssten sich ihren täglichen Fleischkonsum abgewöhnen. Lieber bewusst ein ­gutes Stück Fleisch direkt vom Bauernhof als jeden Tag Billigfleisch vom Discounter.

Bauer trägt Kosten

Die ab Mittwoch erlaubten Hof- und Weidetötungen sind stark reglementiert. Bei der Tötung muss eine Amtsperson anwesend sein. Und ist das Tier einmal tot, muss es innert 45 Minuten zum nächstgelegenen Schlachtbetrieb gebracht und ausgeweidet werden. Die Kosten dafür trägt der Bauer selbst. «Es ist wichtig, beim Tod des Tieres dabei zu sein», erklärt Bauer Bürgi aus Holderbank. «Es geht darum, ihnen die Angst und den Stress zu nehmen.»

Eine Dreiviertelstunde ist knapp bemessen. ­Dauert der Transport ­länger, schade das dem Fleisch, erklärt Eric Meili von der Interessengemeinschaft Hof- und Weide­tötung. «Die Regel fördert zudem die regionale Vermarktung. In 45 Minuten schafft man es nicht immer zu den grossen zentralen Schlacht­betrieben.»

Die Debatte um eine artgerechtere und nachhaltige Fleischproduktion ist im Lichte des Corona-Skandals in deutschen Schlachthöfen aktueller denn je. Die neue Verordnung tritt also genau zur richtigen Zeit in Kraft. Eric Meili steht bereits mit über 100 Betrieben in Kontakt, die sich für eine Hof- und Weidetötung interessieren. Ab 1. Juli können sie bei den kantonalen Veterinärämtern Gesuche stellen. Bis diese bearbeitet sind, dauert es dann noch. Aber die Nachfrage wächst. ­Cäsar Bürgi: «Die nationale Tragweite ist erfreulich. Wir bewegen uns in die richtige Richtung.»

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