Bevor es zum Spind geht, richtet er seinen Blick nach oben. In der Halle über der Tür steht die Statue der heiligen Barbara. «Ohne ein Stossgebet an die Schutzpatronin der Feuerwehrleute und Minenarbeiter gehe ich in keinen Einsatz», sagt Martino Pisaturo (37).
Der Verkaufsleiter aus Lugano TI steigt in Montur und Stiefel. Er klemmt sich seinen roten Helm unter den Arm, greift nach den feuerfesten Handschuhen. Auf dem Rücken trägt Pisaturo die Druckluftflasche. «Wenn der Pager anschlägt, muss ich innerhalb von zehn Minuten an der Feuerwache sein», sagt der gebürtige Süditaliener. Alle fünf Wochen hat er eine Woche Pikettdienst. Wenn er einrücke, so der Luganeser zum Blick, «dann schiesst mein Adrenalin-Spiegel nach oben».
Zuletzt war der gelernte Kaufmann beim Brand eines Pharmaunternehmens in Bedano TI Mitte Februar dabei. Es sind jedoch nicht die gefährlichen Einsätze, die Pisaturo zu einem besonderen Helden der Pompieri machen, sondern, dass er überhaupt zur Freiwilligen Feuerwehr ging. Denn er war selber einst Opfer eines Grossfeuers, das ihn fast das Leben gekostet hätte. Damals stürmten seine heutigen Kollegen seine brennende Wohnung, zogen den Schwerverletzten aus den Flammen.
Martino Pisaturo lag fast acht Wochen im Koma
In der Nacht auf den 16. Februar 2013 wird die Feuerwehr in die Via Ceresio gerufen. Im Erdgeschoss brennt eine Wohnung lichterloh. Es ist das Zuhause von Martino Pisaturo. Die Männer schlagen sich durch Rauch und Flammen. Im Bad sehen sie einen in sich gebeugten Mann mit schweren Brandverletzungen. Sofort wird das bewusstlose Opfer in den Flur getragen und dort von Sanitätern und Notarzt erstversorgt.
Unbemerkt hatte möglicherweise ein elektrischer Kurzschluss zu einem Feuer geführt. «Ich schlief schon, als das Feuer ausbrach. Und als ich aufwachte, waren 50 Tage vergangen und ich lag im Spital», erzählt Pisaturo. An jene Nacht hat er keinerlei Erinnerungen. Er weiss nicht, wie er es vom Bett ins Badezimmer schaffte, wie er aus der Flammenhölle gezogen, im Helikopter ins Verbrennungszentrum des Zürcher Unispitals geflogen und dort in ein künstliches Koma versetzt wurde. «Mein Nacken, mein Rücken und meine Beine erlitten Brandverletzungen zweiten und dritten Grades. Es wurden nicht nur grosse Teile der Haut, sondern auch Sehnen beschädigt», erzählt Pisaturo. «Ich war wochenlang an den Rollstuhl gefesselt. Bis 2017 hatte ich über 20 OPs».
Jetzt will das ehemalige Brandopfer Feuerwehr-Profi werden
2019 gilt Martino Pisaturo als vollständig genesen. Für den gelernten Kaufmann steht fest: «Ich gehe zur Freiwilligen Feuerwehr! Ich wollte fortan meinen einstigen Rettern zur Seite stehen und auch anderen Menschen helfen», sagt Pisaturo. Er besteht die Eignungstests, lässt sich ausbilden und kündigt gleich an, er wolle später gerne ein hauptberuflicher Feuerwehrmann werden.
«Ich bewundere seinen Mut. Hut ab!», sagt Feuerwehrkommandant Federico Sala (50), «jetzt muss Martino aber noch viele Erfahrungen sammeln». Er ist zurzeit arbeitslos und sucht einen Job in seinem Beruf als Verkaufsleiter. Bislang ohne Erfolg. Gleichzeitig träumt er von einem festen Job bei der Feuerwehr. Martino Pisaturo erinnert sich noch an seinen ersten Einsatz: «Es war ausgerechnet ein Grossfeuer. Ich hatte richtig Angst. Wie würde ich beim Anblick von Flammen reagieren?». Doch der Wahl-Tessiner hat weder Flashbacks noch gerät er in Panik. Die Feuerprobe war bestanden.
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