Seit zwölf Jahren arbeitet er für die Berliner Feuerwehr. Doch bei diesem Jahreswechsel hatte er zum ersten Mal richtig Angst in seinem Job. Hauptbrandmeister Baris Coban (34), zuständig für den Stadtteil Neukölln, schildert gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» die Horror-Randale der Silvesternacht. Die Feierlichkeiten eskalierten, allein in der deutschen Hauptstadt wurde die Feuerwehr 1717 Mal gerufen, und über fünfzig Einsatzkräfte von Feuerwehr sowie Polizei wurden verletzt.
Böller-Schlachten oder Raketen, mit denen so mancher gegen Ordnungs- und Rettungskräfte schiesst – «vieles ist nicht neu für uns», so Coban. Das allein sei schon krank. «Aber dieses Jahr war eine ganz andere Dimension.»
Kurz nach Mitternacht wurde der Hauptbrandmeister alarmiert, weil ein Reisebus in Brand gesteckt worden war. Er war mit fünf Kollegen auf einem Löschfahrzeug eingeteilt. Die Zeit drängte. Denn direkt darüber drohten die Bewohner eines Altenheims wegen des Rauchs vergiftet zu werden.
«Das erste Mal, dass ich ein Feuer nicht gelöscht habe»
Doch auf halber Strecke hat laut Baris Coban dann «diese Barrikade gestanden». «Aus Holzplanken, Baustellenabsperrungen und einem brennenden Müllcontainer.» Als die Brandschützer ausstiegen, um das Feuer zu löschen, das schier Unglaubliche: «Leute rannten auf uns zu, um mit Schreckschusswaffen auf uns zu schiessen.» Es seien Hunderte gewesen. «Sie kamen aus dem Dunkeln und sind nach jeder Attacke schnell wieder verschwunden, einige waren vermummt.»
Auch seine Kollegen hätten richtig Angst gehabt, sagt Coban. «Wir haben uns einfach verpisst.» Man habe den brennenden Müllcontainer stehen lassen, sei zurück in den Löschwagen gerannt und losgefahren. «Das war das erste Mal, dass ich ein Feuer nicht gelöscht habe.»
Der Hauptbrandmeister sagt weiter, er habe sich einen Angreifer geschnappt. «Ich wollte wissen, wieso er das macht.» Doch da sei nicht mehr gekommen als ein Schwall an Beleidigungen. Coban: «Ich weiss nicht, woher dieser Hass kommt.»
Jugendliche filmen Trophäen-Videos
Doch damit nicht genug. Aus dieser Nacht kursieren Videos im Netz. Jugendliche sollen versucht haben, Aufnahmen an Fernsehjournalisten zu verkaufen. «Das sind teilweise richtige Trophäen», sagt Hauptbrandmeister Baris Coban.
Die Berliner Feuerwehr teilt mit: «Wir wurden überrascht von der Masse und der Intensität der Angriffe auf unsere Einsatzkräfte.» Man sei «fassungslos und traurig».
Die Attacken auf die Retter haben die deutsche Regierung aufgeschreckt. Schon am Montag wurden Forderungen nach einer harten Bestrafung und weiteren Konsequenzen laut. Bundeskanzler Olaf Scholz (64) verurteilte die Gewalt «aufs Schärfste» und forderte einen besseren Schutz der Einsatzkräfte, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet.
Insbesondere denkt die Politik über Verbote nach. «Bislang haben die Städte gute Erfahrungen mit Feuerwerks-Verbotszonen gemacht», sagt etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy (64), dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland». Ausserdem hat der CDU-Politiker Jens Spahn (42) gegenüber dem Newsportal «t-online» eine gescheiterte Integrationspolitik mitverantwortlich für die Eskalation gemacht. (tva)