«So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie»
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Tiziano Zeller (32):«So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie»

Weil Städter ihre Zweitwohnungen nicht hergeben
Bündner Skilehrer müssen in Abbruchhäusern leben

Im Kanton Graubünden bahnt sich eine Wohnungsnot an: Skilehrerinnen und -lehrer haben Mühe, eine Bleibe für die Wintersaison zu finden. Ihre Chefs vermuten Corona als Grund.
Publiziert: 14.12.2022 um 00:18 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2022 um 08:36 Uhr
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So sieht arbeiten in St. Moritz aus.
Foto: Zamir Loshi
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Sandro ZulianReporter News

«So schlimm wie dieses Jahr war es noch nie», sagt Tiziano Zeller (32). Er steht auf der Piste oberhalb der Corviglia-Bergstation in St. Moritz GR und schaut besorgt in die Kamera. Zeller ist Leiter der Snowsports St. Moritz AG in der Bündner Bergdestination und hat momentan alle Hände voll zu tun. Seine Skilehrerinnen und -lehrer, knapp 70 an der Zahl, fanden nämlich kaum geeignete Unterkünfte für die Saison 2022/23.

Skilehrer wohnen teils in Abbruchhäusern

Für einige Mitarbeiter habe man «zum Glück» noch zwei Häuser mieten können, die nächstens abgerissen werden sollen. Seit Corona habe sich der Immobilienmarkt in ganz Graubünden nämlich stark verändert. Vermehrt hätten Menschen aus den Städten sich eine Zweitwohnung gemietet, um während der Pandemie in Ruhe mit Bergsicht arbeiten zu können. Andere Hausbesitzer vermieteten ihre vier Wände nur noch ganzjährig. Für Skilehrer absolut ungeeignet. «Es ist ein generelles Problem in den Bergregionen. Wir haben wirklich Mühe, Unterkünfte zu finden.»

Zeller konnte den Worst Case bislang abwenden. Mittlerweile haben sämtliche Skilehrerinnen und Skilehrer eine geeignete Unterkunft gefunden. Doch er blickt in eine düstere Zukunft: «Wenn wir unseren Schneesportlehrerinnen und -lehrern keine Unterkünfte mehr bieten können, haben wir schlicht weniger Personal.» In der Folge könnte das bedeuten, dass auch weniger Gäste ins Dorf kommen und dementsprechend weniger Gastronomiepersonal gebraucht würde. Zeller wünscht sich einen grossen, geeigneten Neubau, um alle seine Angestellten unterzubringen.

«Dieses Jahr war die Suche wirklich zäh»

Auch in Davos Dorf GR, direkt am berühmten «Dorfseeli», ist man mit dem Problem konfrontiert. Blick trifft dort Daniel Ammann (57). Den Leiter der Schweizer Skischule in Davos, verantwortlich für fast 400 Mitarbeiter, plagen ähnliche Sorgen. «Wir brauchen mehr Personalhäuser und müssen mittels guter Kontakte neue Wohnmöglichkeiten erschliessen», sagt Ammann. «Dieses Jahr war die Suche wirklich zäh.» Auch er sieht das Problem in der Corona-Pandemie: «Viele Städter haben ihre Wohnungen in Davos entweder selbst bewirtschaftet und gebraucht oder aber Homeoffice in den Bergen gemacht.»

Dieser Trend setze sich nun fort. Hinzu kommen die Mietpreise. «Ein Skilehrer, der jetzt ja nicht gerade Millionär ist, kann nicht jeden Preis für eine Wohnung bezahlen.» Das grosse Problem ist laut Ammann, dass in Davos Mietpreise wie in Zürich die Norm seien, die Löhne allerdings mitnichten.

Es droht Skilehrer-Mangel

Auch für Ammann ist klar: Wenn es so weitergeht, herrscht irgendwann Personalmangel bei den Skilehrerinnen und -lehrern, weil sie keine Wohnung mehr finden. Weiter könnte es sein, dass die Skilehrerinnen und -lehrer nicht mehr direkt in Davos, sondern ausserhalb hausen müssen. Und: «Vielleicht müssen bald zwei Personen im gleichen Zimmer schlafen, und es gibt nicht mehr nur Einzelzimmer.»

Eine Erhöhung des Stundenlohns eines Skilehrers schliesst Ammann indes auch nicht aus, aber: «Wenn wir die Preise erhöhen, kommen vielleicht bald weniger Gäste.» Seine pragmatische und absolute Lösung: mehr bezahlbare Häuser für diejenigen, die den nächsten Generationen das Skifahren beibringen.

Ein Mietpreisdeckel könnte Linderung verschaffen

Betroffen von der Wohnungsnot sind nicht nur Skilehrpersonen in Davos und St. Moritz, sondern auch in der Lenzerheide GR und Arosa GR. Ammann weiss: «Das Problem besteht aber nicht nur in Graubünden, sondern auch im Berner Oberland.»

Das bestätigt auch der Dachverband Swiss Snowsports. Direktor Stéphane Cattin sagt: «Das Problem beschäftigt uns seit Jahren und wird immer schlimmer, doch wir als Dachverband können nicht viel bewegen.» Die Problematik finde sich schweizweit, auch wegen des Tourismus, der wieder massiv mehr Gäste in die Destinationen bringt. «Das geht vom Wallis über Bern bis hin in die Ostschweiz und Graubünden.»

Als direkte Massnahme rät er, sich vor Ort mit der Politik in Verbindung zu setzen. Gegen die Wohnungsnot gäbe es eigentlich nur eines: «Einen Mietpreisdeckel für Einheimische und das Personal.»

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