Der Rückgang ist so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr: 9869 Wohnungen weniger stehen leer im Vergleich zum Vorjahr, eine Abnahme von deutlichen 13,8 Prozent. Das geht aus der Leerwohnungszählung des Bundesamts für Statistik (BFS) hervor. Stichtag für die Erhebung der jährlichen Leerwohnungsziffer ist der 1. Juni.
Auffallend: Lediglich 61'496 Leerwohnungen gibt es noch, was 1,31 Prozent des Gesamtwohnungsbestands in der Schweiz inklusive Einfamilienhäusern entspricht. Da erstaunt nicht, dass selbst in Geistersiedlungen jetzt Leben eingezogen ist. Zum Beispiel in Langenthal BE.
Die Geister sind ausgeflogen
Blick berichtete im Herbst 2017 über die Überbauung Dreilinden, die ein Jahr nach Fertigstellung nur 9 von 38 Wohnungen vermieten konnte. «Wir haben in der Überbauung Dreilinden nur noch Leerstände, wenn es Mieterwechsel gibt», freut sich Cécile Richards (48), Geschäftsführerin der Constivita Immobilien Anlagestiftung in Dübendorf ZH, die für die Langenthaler Liegenschaft zuständig ist. Seit rund einem dreiviertel Jahr sei Dreilinden komplett vermietet.
Von einer Leerstandsquote von «deutlich unter 5 Prozent» ist auch bei der Winterthurer Überbauung Sue & Til die Rede, die anfangs wenig beliebt war. Während der letzten 6 bis 9 Monate habe die Nachfrage stark angezogen, heisst es nun vonseiten der Verwaltung.
In gewissen Regionen spricht man heute sogar von einem Wohnungsnotstand. «Wer sich auf der Suche nach einer Mietwohnung befindet, weiss: Es ist mühsam», bestätigt Ursina Kubli (43), leitende Immobilien-Expertin bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Am stärksten spüre man die Wohnungsnot bei günstigen Wohnungen.
Mit Geschenken Mieter locken ist passé
Noch vor wenigen Jahren waren Mieterinnen am längeren Hebel. Sie konnten bei einer Neuvermietung Gratismonate aushandeln oder bekamen sogar Sachgeschenke. «Damit ist Schluss», sagt Expertin Kubli.
Es gibt mehrere Gründe für diese krasse Trendwende auf dem Schweizer Wohnungsmarkt. Einerseits werden weniger neue Projekte geplant, weil die Baulandreserven knapp sind. «Das führt dazu, dass der Neubau von Wohnungen seit einigen Jahren abnimmt», sagt Donato Scognamiglio (52), Chef der Immobilienberatungsfirma Iazi. Ein weiteres Problem: Wer Bauprojekte plant, hat oft mit Einsprachen zu kämpfen. Diese führen zu Verzögerungen oder dazu, dass Bauherren ihre Pläne fallen lassen.
Nicht nur Einsprachen erschweren den Bau. Die Branche hat auch mit Lieferverzögerungen und gestiegenen Baumaterialkosten zu kämpfen. «Das ist für die Branche organisatorisch und finanziell aktuell die grösste Herausforderung», sagt Matthias Engel, Sprecher des Schweizerischen Baumeisterverbands.
In Bern hat es noch am meisten unbesetzte Wohnungen
Das knappe Angebot trifft auf eine stetig steigende Nachfrage. Denn die Wirtschaft hat sich seit der Pandemie erholt, und die Zuwanderung nimmt zu. Das führte im vergangenen Jahr zu mehr Haushaltsgründungen.
Allein in den ersten sechs Monaten sind per Saldo 12'000 Menschen mehr aus dem Ausland gekommen als im Vorjahr. Darin noch nicht eingerechnet sind die über 60'000 Flüchtlinge aus der Ukraine. Diese spielen bisher bei der Nachfrage eine untergeordnete Rolle, weil sie in Unterkünften von Bund und Kantonen sowie in Privathaushalten untergebracht sind. Je länger sie bleiben, desto grösser dürfte aber auch ihr Einfluss auf den Wohnungsmarkt werden.
Während der Leerstand in den Kantonen Aargau, Wallis und Waadt am stärksten zurückgegangen ist, wurden wie schon im Vorjahr im Kanton Bern am meisten unbesetzte Wohnungen gezählt. Leerstandszuwächse verzeichneten die Kantone Jura, Basel-Stadt, Schaffhausen und Glarus.