«RhB kommt bei den Fahrgästen gut an», titelte diese Woche die «Südostschweiz». Das sieht Rollstuhlfahrer Felix Weber (67) aus dem 1200-Seelen-Ort Trun GR ganz anders. Er sitzt seit einem Unfall im Jahr 2000 im Rollstuhl. Weber lebte 50 Jahre lang in Zürich, zog dann aber der Liebe wegen weg und wohnt seit Juli vergangenen Jahres im Bergdorf. Aber seit seinem Zuzug habe er nur noch Scherereien, sagt er. «Ich habe schon 450 Franken für Tageskarten verlocht, weil ich sie wegwerfen musste!»
«Wie in einem Gefängnis»
Weber meldet sich für Fahrten mit der Rhätischen Bahn beim SBB Handicap Center in Brig VS telefonisch an. Das ist für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer in Trun und auch an anderen, nicht behindertengerechten Bahnhöfen obligatorisch. Unter einer 0800-Hotline, die von 6.30 bis 22.30 Uhr betrieben wird, müssen sich Reisende im Rollstuhl für eine Fahrt anmelden. Einen Zug zu verpassen, können sich Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer also praktisch nicht leisten. Spontan einen anderen oder späteren Zug zu nehmen, liegt ebenfalls nicht drin.
Doch immer wieder bekommt Weber trotz Anmeldung kurz vor der Abfahrt eine Absage der RhB. Man könne ihn nicht mitnehmen. Auch bei einem Besuch von Blick darf Weber nicht mit. «Heute war die Begründung, Trun sei kein Bahnhof. Dabei ist er doch angeschrieben mit Bahnhof Trun!», sagt Weber und zeigt auf das Schild. Er komme hier oben nicht mehr weg und sei eingesperrt «wie einem Gefängnis». Trost gibt ihm zuweilen sein Hund Jackie Tequilla, den er auf seinem Schoss mitfahren lässt.
Das Fass zum Überlaufen brachte eine Ereignis am Morgen des 6. Februar. Gemäss Weber hielt der Niederflurwagen der RhB damals nicht am Bahnsteig, sondern 20 Meter zu weit vorne. Die Klapprampe sei deswegen viel zu steil gewesen, worauf Weber beim Aussteigen ins Kiesbett stürzte. Er blieb zwar unverletzt, sein Rollstuhl nahm jedoch Schaden. «Ich musste ihn bei einer Firma in Chur reparieren lassen.» Kostenpunkt: über 400 Franken. Da Weber überzeugt ist, dass die Rhätische Bahn für den Vorfall zur Rechenschaft gezogen werden muss, schickte er ihr die Rechnung. Diese lehnte jede Haftung ab.
«Ich bin richtig hässig», sagt Weber zu Blick. «Ich finde das eine Frechheit und offen gesagt einen Verstoss gegen die Menschenrechte!» Wenn nötig, würde Weber ohne Zögern vor das Bundesgericht ziehen. «Ich lasse mich nicht einschüchtern!»
«Jede Kundenrückmeldung wird ernst genommen»
Auf Anfrage schreibt Yvonne Dünser, Mediensprecherin der Rhätischen Bahn, dass sich Weber gemäss Rücksprache mit dem Handicap Center seit Beginn des Jahres erst dreimal telefonisch für eine Beförderung angemeldet habe. Als sein Rollstuhl kaputtging, sei für die Rückfahrt keine Anmeldung eingegangen und Weber habe «insistiert», selber auszusteigen, woraufhin der Rollstuhl kaputtging.
Das Geld für die Tageskarten, die Weber gekauft und nicht gebraucht habe, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückbekommen, schreibt die Mediensprecherin: «Generell ist es so, dass Herr Weber in einem solchen Fall die Möglichkeit hat, eine Rückerstattung der Tageskarte zu verlangen. Jede Kundenrückmeldung wird bei der RhB ernst genommen und im Qualitätsmanagementsystem erfasst und geprüft.»
Situation wird wohl erst Ende 2025 besser
Das Behindertengleichstellungsgesetz verlangt, dass der öffentliche Verkehr in der ganzen Schweiz spätestens ab Anfang nächsten Jahres barrierefrei und damit für Behinderte grundsätzlich selbständig nutzbar sein muss. Dünser schreibt: «Der Bahnhof Trun wurde hoch priorisiert und die RhB wird bis am 1. Januar 2024, wie das Gesetz es vorschreibt, diese Bedingungen erfüllen können.» Die Bauarbeiten sollen demnach auch noch im Mai dieses Jahres starten.
Mit ihrem letzten Satz dürfte die Mediensprecherin bei Weber allerdings wieder für Ernüchterung und Ärger sorgen: «Die Umbauarbeiten werden voraussichtlich bis Ende 2025 dauern, zwischenzeitlich stehen die gesetzlich erforderlichen Hilfsmassnahmen jedoch zur Verfügung.»