Das Bündner Bergdorf Brienz befindet sich im Ausnahmezustand – am Hang oberhalb lösen sich rund zwei Millionen Kubikmeter Gesteinsmassen. Besonders betroffen: die sogenannte Insel, die sich am stärksten bewegt. Jetzt haben die Behörden die Evakuierung angeordnet. Laut dem Geologen und Leiter des Frühwarndiensts Brienz, Stefan Schneider (50), gibt es für das Dorf drei Schicksalsszenarien.
Viele kleinere Felsstürze
Schneider glaubt wegen der Begebenheiten vor Ort im Abbruchgebiet, dass es vermutlich zu vielen kleineren Felsstürzen kommt. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei ungefähr 60 Prozent, erklärt Schneider Blick. «Für das Dorf wäre dies das beste Szenario, weil die Reichweite in diesem Fall nicht so gross wäre.» Das Gestein würde vielleicht nicht einmal das Dorf erreichen. Der Vorgang würde allerdings über einen längeren Zeitraum dauern. Schneider: «Wie lange, ist schwierig zu sagen. Die Hoffnung ist, dass dann mindestens für eine gewisse Zeit aber Ruhe wäre und die Einwohner danach zurück in ihr Dorf können.» Natürlich könne es trotzdem sein, dass sich weitere Bereiche des Hangs lösen. «Zukünftige Rutschungen könnte man aber mit Massnahmen wie etwa einem Entwässerungsstollen verlangsamen.»
Langsames Abrutschen
Ein zähflüssiges Abrutschen des Hangs, wie das vor 145 Jahren der Fall war, hat gemäss Schneider trotz der Langsamkeit eine sehr grosse Zerstörungskraft. «Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist etwa halb so gross wie bei den vielen kleineren Felsstürzen. In diesem Fall müssen wir jedoch davon ausgehen, dass der Strom das Dorf erreicht und vielleicht sogar über das Dorf hinwegrollt.» Es seien also Schäden in Brienz zu erwarten. Im Anschluss könne man zwar mit einer Beruhigung rechnen, doch ob die Einwohner wieder zurück ins Dorf können, werde dann eine Beurteilung zeigen müssen.
Grosser, schneller Bergsturz
«Ein grosser, schneller Bergsturz würde das Dorf überrollen und begraben. Jedenfalls dann, wenn die ganzen rund zwei Millionen Kubikmeter aufs Mal herunterkommen.» Allenfalls könnten sogar weiter unten an der Albulalinie Schäden entstehen, erklärt Schneider. «Ein schneller Bergsturz würde zu grossen Schäden bis zur totalen Zerstörung von Brienz führen. Anschliessend wäre die Gefahr vermutlich vorerst gebannt, aber es wird wohl keinen Sinn machen, auf dem Schuttkegel ein neues Dorf aufzubauen», sagt Schneider. Zum Glück sei dieses Szenario am wenigsten wahrscheinlich. «Aber die Evakuierung wird in erster Linie durchgeführt, weil man das eben doch nicht gänzlich ausschliessen kann.»
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