Das würde es brauchen, um den Berg abzutragen
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«Pisten wie Autobahnen»:Das würde es brauchen, um den Berg abzutragen

Brienzer Problem-Berg wegsprengen statt Bevölkerung wegschicken? Bündner Geologe spricht Klartext
«Theoretisch ist das möglich, aber...»

Die Bewohner von Brienz GR müssen das Dorf erneut verlassen: 1,2 Millionen Kubikmeter Gestein drohen abzurutschen. Schutzwälle oder Sprengungen sind keine Option. Geologen und Behörden sind machtlos.
Publiziert: 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 09:09 Uhr
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Weil ein Bereich am Hang über dem Bündner Bergdorf Brienz wieder schneller rutscht, wurde zwar eine Evakuierung angeordnet.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Brienz GR muss erneut evakuiert werden, die Bewohner haben die Hoffnung verloren
  • 1,2 Millionen Kubikmeter Gestein drohen, das Dorf zu verschütten
  • Ein Bündner Geologe nennt Möglichkeit, den gesamten Berg abzutragen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Helena GrafReporterin

Pure Verzweiflung herrscht derzeit bei den Bewohnern von Brienz GR. Schon wieder müssen sie ihre Häuser verlassen. Das Dorf wird evakuiert, weil der Berg oberhalb rutscht. «Ich verliere mein Haus für 355'000 Franken. Niemand hilft uns. Unser Land ist im Moment 10 Franken wert», klagt ein Mann an der Pressekonferenz am Dienstag. Die Stimmung im Saal – hoffnungslos. Doch dann macht Andreas Huwiler, Geologe beim Bündner Amt für Naturgefahren eine Aussage, die aufhorchen lässt.

Huwiler erklärt, man könne den Schutt, der Richtung Dorf rutscht, nicht allein abtragen. Aber den gesamten Berg! «Das könnten wir machen, aber das dauert Jahre oder Jahrzehnte. Das wäre ein gewaltiges Projekt», so der Experte.

Berge abtragen – in der USA bereits Realität

«Gewaltig» klingt schon fast nach einer Untertreibung. Allein die Schutthalde oberhalb von Brienz besteht aus 1,2 Millionen Kubikmetern Gestein. Das Dorf liegt auf 1144 Metern. Der Berghang rutscht ab einem Plateau auf etwa 1790 Metern. Das Plateau befindet sich am Hang des Piz Linard, einem 2768 Meter hohen Berg. Diesen könnte man laut dem Geologen also abtragen, um Brienz zu retten.

Jetzt erläutert Andreas Huwiler gegenüber Blick seine Aussage an der Pressekonferenz: «Es gibt Minen auf der Welt, wo jährlich Milliarden von Kubikmetern an Berggestein abgetragen und umgelagert werden.»

Sein Fazit: «Theoretisch ist das möglich.»

Solche Minen, wie Huwiler beschreibt, gibt es etwa in den Appalachen in den USA. Dort verschwinden ganze Berggipfel, massenhaft Fels wird abgetragen, um Rohstoffe wie Kohle freizulegen. «In solchen Fällen ist eine Abtragung vielleicht wirtschaftlich sinnvoll. Weil die Firmen an den Rohstoffen verdienen.»

Und hier kommt schon das dicke Aber des Geologen: «Praktisch ist es hier nicht umsetzbar, einen Berg abzutragen.»

Denn an einer Abtragung aus Sicherheitsgründen – wie im Fall von Brienz – gibt es nichts zu verdienen, mit dem man die enormen Kosten decken könnte.

«Lastwagen so gross wie Einfamilienhäuser»

Ausserdem fehle es in der Schweiz an der nötigen Infrastruktur, um solche Abtragungen umzusetzen. «Dort werden riesige Bagger eingesetzt und Lastwagen in der Grösse von Einfamilienhäusern. Dann braucht es Pisten, die so breit sind wie Autobahnen, damit diese Maschinen überhaupt fahren können. Und zuletzt auch einen Ort, wo man die Gesteinsmassen ablagern kann», so der Geologe.

Abgetragene Berge im US-Bundesstaat Kentucky: Hier wird Kohle abgebaut.
Foto: Natural History Museum

Die Folgen für diese Art Bergbau in den USA sind verheerend – für Umwelt und die lokale Bevölkerung.

Kein Mittel gegen die Schutthalde

Experten und Behörden haben für Brienz unterschiedlichste Massnahmen diskutiert. Etwa die Errichtung eines Schutzwalls, der die rutschenden Gesteinsmassen auffangen könnte. Oder eine Sprengung der Schutthalde.

In beiden Fällen liegt das Problem bei der Masse an Schutt. 1,2 Millionen Kubikmeter Gestein drohen, den Hang herabzustürzen. Man kam zum Schluss, dass ein Schutzwall dieser Menge nicht standhalten würde. Die Sprengung einer solchen Masse wäre in der Schweiz völlig beispiellos. Huwiler vom Amt für Naturgefahren sagt dazu: «In der Regel werden Gesteinsvolumen bis 1000 oder 2000 Kubikmeter gesprengt.»

Gegen die Schutthalde, die Brienz aktuell bedroht, sind Experten und Behörden also machtlos. «Wir können wirklich nur zuschauen und hoffen, dass die Rutschung das Dorf verfehlt», so Huwiler. Für die rund 80 Bewohner von Brienz bedeutet das: über ihr Schicksal entscheidet letztlich allein der Berg.

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