Auf einen Blick
- Bewohner von Brienz GR bereiten sich auf Evakuierung vor
- Einwohner fühlen sich ohnmächtig und hilflos
- 1,2 Millionen Kubikmeter Gesteinsmasse bedrohen das Dorf
Auch wenn am Berg etwas Ruhe eingekehrt ist, wurden die Bewohner von Brienz GR dazu angehalten, sich bereitzumachen – bereit, evakuiert zu werden. Zuletzt mussten sie am 12. Mai 2023 ihre Häuser verlassen. In den kommenden Tagen und Wochen könnte es wieder so weit sein.
«Bereiten Sie sich bitte umgehend darauf vor», heisst es. Es drohe eine Evakuierung von mehreren Monaten, sagte Pascal Porchet, der zuständige Leiter des kantonalen Amts für Militär und Zivilschutz, am Samstagabend den Betroffenen in Tiefencastel GR. 1,2 Millionen Kubikmeter Gesteinsmasse bedrohen das Dorf diesmal.
«Ich lasse mir das nicht mehr bieten»
Unter den Bewohnern herrscht eine gewisse Ohnmacht und Hilflosigkeit. «Wie lange wollen sie uns das noch zumuten?», fragte ein Bewohner an der Informationsveranstaltung. Ein anderer bat die Gemeinde, den Schritt der erneuten möglichen Evakuierung zu überdenken.
Taxi-Unternehmer Pietro Lazzara (46) geht sogar noch einen Schritt weiter. Er würde seine Familie in Sicherheit bringen, selbst aber in seinem Daheim bleiben. «Ich lasse mir das von den Behörden nicht mehr bieten. Und würde lieber unter den Steinen sterben!», sagt er wütend im Interview mit Blick.
Letztlich müssen alle raus
Doch wie würde eine Evakuierung im Ernstfall ablaufen, und was passiert, wenn sich jemand wirklich weigert, sein Zuhause zu verlassen? Blick hat nachgefragt.
«Während und nach der Evakuierung wird kontrolliert, ob alle, sowohl Mensch als auch Tier, draussen sind», sagt Christian Gartmann vom Führungsstab der Gemeinde Albula. Letztlich müsse man der Anweisung Folge leisten, da könne man keine Kompromisse machen. Wenn man auf Personen treffe, die nicht gehen wollten, suche man das Gespräch.
Polizei wird nicht von sich aus aktiv
«Auch bei der bislang letzten Evakuierung im Sommer 2023 hat es ein paar wenige Bewohner gegeben, die zunächst bleiben wollten.» Am Schluss habe man aber alle überzeugen können, dass es hier um die eigene Gesundheit und vielleicht auch um Leben und Tod gehe.
Die Kantonspolizei Graubünden würde von sich aus nicht aktiv werden. «Wir schreiten dann ein, wenn die Gemeinde unsere Unterstützung braucht. Man spricht dabei von Amtshilfe», sagt Mediensprecher Markus Walser auf Anfrage von Blick. Deshalb gebe es zuvor auch Infoanlässe, an denen man mit den Leuten rede.
«Es ist wichtig, dass man auf die Menschen zugeht und ihnen vor allem gut zuhört», so Gartmann weiter. «Wir versuchen immer, auf einer vernünftigen Ebene mit den Personen zu reden, und suchen das Gespräch.» Man müsse versuchen, zu verstehen, «was in den Menschen in einer Extremsituation vorgeht und ihre Ängste ernst nehmen». Was in so einem Moment sicherlich fehle, sei die Zuversicht, «und da wollen wir Hand reichen».