Die Natur lechzt verzweifelt nach Wasser. Seit Wochen fällt kaum noch Regen. Die Böden sind völlig ausgetrocknet, die Flüsse führen kaum noch Wasser, und die Armee fliegt Wasser in die Alpen. Statt satten Blaus dominiert in manchen Gewässern nur noch ein tristes schlammiges Braun.
Auch die tierischen Bewohner des Erholungsgebiets Giessenpark in Bad Ragaz SG leiden. Paul Bollhalder (69) aus Bad Ragaz ist für die Reinigung des Parks um den See zuständig und sorgt sieben Tage die Woche für Ordnung. Die aktuelle Situation stimmt ihn traurig. «Ich begreife das einfach nicht. Unser wunderschöner Giessensee ähnelt inzwischen einer Kloake. Nur der Golfplatz kann aus dem Vollen schöpfen», so der Rentner zu Blick.
Tatsächlich leuchten die Greens des Golfplatzes direkt neben dem Erholungsgebiet in einem üppigen Grün. Jeden Tag würden die Wiesen der Anlage des Golf Clubs Bad Ragaz bewässert, sagt Rentner Bollhalder. Zudem verfüge der Platz auch über viele kleine Weiher mit glasklarem Wasser und Springbrunnen. Und das alles, während der Giessensee austrocknet.
Auch Fischereiaufseher Sigi Jäger (75) klagt über den «himmeltraurigen» Zustand des Giessensees: «Das grösste Problem ist, dass es keine Wasserzufuhr mehr gibt», so Jäger zu Blick. Alle Zu- und Abflüsse seien mit Schlamm blockiert. Das Ergebnis: ein See, der eher einem Tümpel ähnelt.
«Der Schlamm ist toxisch»
Die Optik sei aber nur ein kleines Übel. Viel schlimmer: «Der Schlamm ist toxisch und macht die komplette Fauna kaputt. Der Moder müsste dringend entfernt werden», so Rentner Bollhalder. Dafür müsste man jedoch Geld in die Hand nehmen. Die zuständige Ortsgemeinde Bad Ragaz wolle davon aber nichts hören. «Wir haben sie schon mehrere Male auf die prekäre Situation des Sees aufmerksam gemacht. Unternommen wird aber nichts.»
Sämtliche Lösungsvorschläge von Bollhalder und Jäger versickerten im Schlamm. Diese seien aber verhältnismässig einfach umzusetzen, sagt der Fischereiaufseher: «Man könnte problemlos vom Tamina, dem südsüdwestlichen Zufluss des Rheins, oder vom Rhein selber Wasser in den Giessensee pumpen.»
Ortsgemeinde weist jegliche Vorwürfe von sich
Die Bad Ragazer Ortsgemeinde bestätigt den aktuell sehr tiefen Wasserstand im Giessensee. Dass es im Gewässer Moder habe, bestreitet die Behörde aber: «Weder Zugänge noch Ausfluss sind verschlammt», schreibt Ron Itthasombat (35), Ratsschreiber der Ortsgemeinde, auf Anfrage von Blick. Zudem sei der Schlamm auch nicht toxisch. Gemäss Itthasombat gebe es «keinen Anlass», den Zustand des Giessensees zu verbessern.
Man sei in ständigem Kontakt mit dem St. Galler Amt für Natur, Jagd und Fischerei. Da jedoch zurzeit etliche Gewässer in der Schweiz mit Wasserknappheit zu kämpfen hätten, erachte man das Umpumpen von Wasser als «nicht zielführend». Der Golfplatz sei so gut bewässert, da er über ein betriebseigenes Grundwasserpumpwerk verfüge.
Auch im Kanton Aargau herrscht Alarmstufe Rot. Noch leuchtet der Salat auf dem Feld vom Daniel Frey (54) in Moosleerau AG in der Sonne zwar schön grün. Doch der Gemüseproduzent hat tiefe Sorgenfalten auf der Stirn: «Der Salat wurde vor drei Wochen gepflanzt und ist bereits unterentwickelt, manche Setzlinge haben sogar schon gelbe Blätter. In diesem frühen Stadium darf das einfach nicht sein.»
Zwar ist das Feld direkt neben einem kleinen Bach gelegen, der Suhre. Doch seit Anfang der Woche darf das Unternehmen gemäss Weisung des Kantons Aargau kein Wasser mehr für die Bewässerung daraus pumpen, zu niedrig ist der Pegel aufgrund der andauernden Hitzewelle.
«Dann ist Schluss und er serbelt ab»
Auf die Tatsache angesprochen, dass der Golfplatz im bloss wenige Kilometer entfernten Oberentfelden AG laut einem Bericht des regionalen TV-Senders Tele M1 nach wie vor seine Greens bewässert, meint Frey: «Ich finde, generell müssen die Menschen einmal über ihre Prioritäten nachdenken. Müssen wir wirklich den Pool im Garten füllen und das Auto jeden Samstag waschen? Oder wollen wir unser Wasser nicht lieber für die Lebensmittelproduktion aufwenden?»
Denn sein Salat sei nun quasi dem Tode geweiht. «Er wird ohne Wasser noch etwa eine Woche dahinvegetieren, sich aber nicht mehr wirklich weiterentwickeln», erklärt Frey. «Dann ist Schluss, und er serbelt ab – und wir haben den Salat.» Um dies zu verhindern, würde es zwar schon Methoden geben: «Bei anderen Feldern können wir beispielsweise auf Hydranten zurückgreifen. Dort können wir mit Zeiteinschränkungen Trinkwasser beziehen und dies wird dann über einen Zähler abgerechnet.»
Muss der teure Tanklastwagen her?
In Moosleerau sei dies nicht möglich: «Hier steht weit und breit kein Hydrant, da sich das besiedelte Gebiet in ziemlich weiter Distanz befindet.» Er werde noch Abklärungen treffen, ob man möglicherweise doch eine Leitung ziehen könnte.
Ansonsten würde es noch die Option eines Tanklastwagens geben: «Aber damit kostet eine Bewässerung jeweils etwa 5000 Franken. Wenn wir das über mehrere Wochen hinweg mehrfach machen müssen, dann rechnet sich das nicht mehr.»
Das Tankfahrzeug wäre einzig dann eine Option, wenn man Regen in Aussicht hätte und dann bloss einmalig darauf zurückgreifen müsste. Sonst wird der Salat wohl oder übel vor die Hunde gehen, meint Frey traurig: «Das tut schon weh, denn hier steckt bereits viel Arbeit drin.»
Immerhin: Die Schweiz kann auf etwas Wasser hoffen. Anfang nächster Woche soll es endlich etwas regnen. Vorerst aber geht das grosse Lechzen weiter – nur auf den Golfplätzen ist alles im grünen Bereich.
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