Der Antrieb, der die aktuelle Hitze nach Mitteleuropa bringt, ist auf der Wettergrafik des britischen Meteorologen Scott Duncan als orange-rot-lila-farbener Wirbel eingezeichnet. Sein Standort: Atlantik, zwischen Portugal, Madeira und den Azoren. Duncan schreibt dazu auf Twitter: «Das wirkt praktisch als Europas Wärmepumpe.»
Der Wirbel steht für ein sogenanntes Höhentief (auch Cut-off-Tief genannt). «Mit seiner Drehung gegen den Uhrzeigersinn schaufelte es sehr heisse Luft aus Nordafrika in Richtung Norden», erklärt Klaus Marquardt, Meteorologe bei Meteonews. Weil es längere Zeit dort verweilte, litten nach Südeuropa darum auch die Schweiz, Deutschland, Frankreich, die Benelux-Staaten und sogar Grossbritannien unter der Hitzewelle.
Spaltung des Jetstreams als Ursache
Eine kürzlich veröffentlichte Studie in der Fachzeitschrift «Nature Communications» zeigt nun auf, warum Europa auch künftig solche Hitzewellen bevorstehen könnten. Eine Ursache liegt demnach in der Spaltung des Jetstreams in zwei Äste. Jetstreams sind grosse Windbänder in fünf bis zehn Kilometern Höhe. Sie sorgen für den Luftaustausch in der Atmosphäre und beeinflussen dadurch auch Luftdruck und Temperaturen in Bodennähe.
Seit zwei Wochen sei wieder so ein gespaltener Jetstream über Europa zu beobachten, erklärte die Hauptautorin der Studie, Efi Rousi vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, der US-Zeitung «New York Times». Darum das Höhentief über dem Atlantik, dem der Zustrom aus dem Westen fehlt, und darum auch der ungewöhnlich lang anhaltende Zustrom warmer Luft bei uns in Europa.
Eine Ursache könnte die langfristige Erderwärmung sein, die nicht überall gleichmässig abläuft, so das Autorenteam der Studie. Weil sich die Arktis am stärksten erwärme, sinke der Temperaturunterschied in den Tropen – und mit ihm auch der Antrieb für den Jetstream. Dieser zunehmende Temperaturunterschied zwischen Land und Ozean begünstige das Fortbestehen von Doppeljet-Zuständen im Sommer.
Das wiederum habe zur Folge, dass Wetterlagen länger stabil an einem Ort blieben: «Doppelte Jetstreams und ihre zunehmende Verweildauer sind der Schlüssel zum Verständnis der aktuellen und zukünftigen Hitzewellenrisiken über Westeuropa», ist sich das Autorenteam der Studie einig.
Trockenheit trägt auch zur Hitze bei
Marquardt zählt noch einen anderen Grund für die momentane Hitze auf: «Unterstützend für die Hitze ist die Trockenheit. Denn dadurch geht kaum etwas der Strahlungsenergie für die Verdunstung von Bodenfeuchtigkeit verloren. Die Temperaturen steigen rascher an.»
Sommerliche Hitzewellen sind an sich kein neues Phänomen. Neu ist aber, dass extreme Hitzeereignisse in Europa in den letzten Jahren häufiger und intensiver aufgetreten sind. Studienautorin Rousi zeigte sich darum wenig zuversichtlich: «Wir rechnen damit, dass das noch schlimmer wird.»