Das Jahr 2022 ist von Kriegen und einer weltweiten Ernährungskrise geprägt. Überall auf der Welt hungern Millionen von Menschen – während in den Industrienationen tonnenweise Essen im Müll landet. Allein in der Schweiz werden pro Jahr 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, das entspricht 330 Kilogramm pro Person. Rund ein Drittel aller Lebensmittel landet im Abfall statt im Magen.
Verschiedene Firmen und Vereine haben sich zum Ziel gesetzt, Lebensmittel zu retten. Ein Tropfen auf den heissen Stein zwar, aber immerhin ein Anfang.
Wer nach einem langen Arbeitstag Lust auf ein Take-away-Menü hat, sollte einen Blick auf die «Too Good To Go»-App werfen. Auf dem weltweit grössten Marktplatz für übrig gebliebenes Essen finden Hungrige die Angebote von Bäckereien, Restaurants und Supermärkten.
«Too Good To Go»
In der Schweiz kann man dank «Too Good To Go» seit vier Jahren sogenannte Überraschungspäckli bestellen, einen bunten Warenkorb aus diversen Lebensmitteln, denen sonst das baldige Ende im Mülleimer drohen würde. Wie Country Managerin Alina Swirski (35) sagt, konnten durch das dänische Unternehmen alleine in der Schweiz bislang 5400 Tonnen Lebensmittel vor dem Müll gerettet werden.
Über 5000 Betriebe stellen in der Schweiz überschüssige Lebensmittel zu einem reduzierten Preis über die App zur Verfügung. Vom kleinen Dorflädeli bis zu den grossen Supermärkten ist alles dabei.
«Too Good To Go» betreibt aber auch aktiv Aufklärung zum Thema Foodwaste. Zum Beispiel mit der Kampagne «Oft länger gut», denn viele Leute wissen nicht, dass Lebensmittel auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum noch ohne Bedenken verzehrbar sind. Anders sieht es beim Verbrauchsdatum aus, das vor allem auf Fleisch- und Fischprodukten zu finden ist. Nach dessen Verfall sollten die Lebensmittel zur Sicherheit nicht mehr verzehrt werden.
Äss-Bar
Gebäck so weit das Auge reicht. In den neun Schweizer Äss-Bar-Filialen werden Backwaren vom Vortag zu einem stark vergünstigten Preis angeboten. Normalerweise wären die Sandwiches, Brötchen und Wähen längst im Abfall gelandet, doch die vier Unternehmensgründer erkannten schon 2013, dass es auch anders geht.
Was als kleines Projekt begann, hat sich zu einer Anti-Foodwaste-Organisation entwickelt, die hierzulande pro Jahr rund 800 Tonnen Lebensmittel vor der sinnlosen Vernichtung rettet. Beliefert werden die Äss-Bar-Filialen hauptsächlich von kleinen Bäckereien. Die Topseller sind Sandwiches aller Art, denn bei den meisten Kunden handelt es sich um Pendler. Die am meisten frequentierte Äss-Bar ist jene am Bahnhof Zürich Stadelhofen, bis zu 800 Gäste kaufen hier jeden Tag ein. Auch die Zürcher Studenten kommen in den Genuss der nachhaltigen Brötchen: An den Standorten Zentrum und Hönggerberg der ETH bietet ein Foodtruck eine breite Palette an Sandwiches vom Vortag an.
Neben der Vermeidung von Foodwaste ist für viele auch der Kostenfaktor ein ausschlaggebender Punkt. Laut Firmensprecherin Nadja Zehnbauer (34) hat man in den letzten Wochen vor allem eine Zunahme ukrainischer Flüchtlinge wahrgenommen, die für die reduzierten Preise dankbar sind.
«Mehr als zwei»
Ein Ganzes ist oft mehr als die Summe seiner Teile, im Idealfall entsteht aus eins plus eins auch mehr als zwei. Aus diesem Gedanken heraus wurde der gleichnamige Verein «Mehr als zwei» vor drei Jahren gegründet. Er will nichts weniger als die Welt durch innovative Ansätze zu einem besseren Ort machen.
«Mehr als zwei» versteht sich als Bindeglied, das kreative Köpfe zusammenführt und aus Ideen Lösungen macht. Daraus entstanden sind diverse Projekte: ein Lebensmittel-Lieferservice per Post für armutsbetroffene Menschen ohne Zugang zu einer Abgabestelle oder die Rettung von bisher über 15 Tonnen Bananen.
Geliefert von der Migros Luzern und verarbeitet von diversen Produzenten, entstehen aus überschüssigen Bananen Produkte wie getrocknete Bananenstängeli oder Bananenbier. Sogar die Schale wird von einem Basler Start-up zu Bioplastik verarbeitet.
Derzeit wird an einem Marktplatz für übrig gebliebene Lebensmittel getüftelt. Überschüsse aus der Produktion und Verarbeitung sollen sichtbar, handelbar und damit verwertbar gemacht werden.