Führungsschwäche, Angstkultur, Mobbing
Bericht belastet die ehemalige Führung der Winterthurer Stadtpolizei schwer

Innerhalb eines halben Jahres nehmen sich zwei Winterthurer Quartierpolizisten das Leben. Der gestern veröffentlichte Abschlussbericht legt gravierende Führungsmängel offen und spricht gar von Mobbing.
Publiziert: 22.09.2023 um 18:11 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2023 um 18:28 Uhr
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Nach dem Suizid eines Quartierpolizisten im Polizeiposten der Stadt Winterthur im Februar 2022 startete der Stadtrat eine Administrativuntersuchung. Es war bereits der zweite Suizid innerhalb eines halben Jahres bei der Quartierpolizei.
Foto: Céline Trachsel
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Sebastian BabicReporter Blick

Im Juli 2021 und im Februar 2022 schockierten zwei Suizide bei der Winterthurer Quartierpolizei die Öffentlichkeit. Kurz nachdem Blick die Suizide publik gemacht hatte, leitete die Stadt eine Administrativuntersuchung zur Situation bei der Stadtpolizei ein. Die Ergebnisse wurden Ende 2022 an einer Medienkonferenz präsentiert. Bereits damals wurde klar, dass der Fisch bei der Winterthurer Stadtpolizei vom Kopf her stinkt. Die Führungskultur wurde bemängelt, die archaischen Strukturen infrage gestellt und ein Kulturwandel gefordert. Von Mobbing wurde dabei nicht explizit gesprochen. Zumindest bis jetzt. 

Nachdem der Winterthurer «Landbote» im Sommer dieses Jahres die Herausgabe des Abschlussberichtes juristisch erstritten hatte, wurde dieser am Donnerstag den interessierten Medien schriftlich zugestellt. Allerdings in stark geschwärzter Form, um die Persönlichkeitsrechte der angesprochenen Personen nicht zu verletzen. Obwohl aufgrund der Zensur ganze Kapitel kaum zu lesen sind, wirft der Bericht ein etwas klareres Licht auf die Vorgänge zwischen 2018 und 2021. Und nennt das Problem beim Namen: Mobbing. Der Umgang mit der Macht gegenüber einem der verstorbenen Mitarbeiter im streng hierarchischen Gefüge der Stadtpolizei sei unreflektiert gewesen. «Das Verhalten erfüllt die Kriterien für Mobbing/Bossing (eine Unterart des Mobbings, die von Vorgesetzten ausgeht. Anm. d. Red.) und war unzulässig», so ein Fazit im Bericht. 

Viele Fehler, kaum Kommunikation

Die Hintergründe des ersten Suizids im Juli 2021 verdeutlichen diese Interpretation. Ein Polizist habe diverse Sprüche von bekannten Personen auf ein Whiteboard im Gebäude der Quartierpolizei geklebt. Einer davon wird Albert Einstein zugeschrieben: «Wer schweigt, stimmt nicht immer zu. Er hat manchmal nur keine Lust, mit Idioten zu diskutieren.» Ein Vorgesetzter bezog diese Aussage auf sich und startete ein personalrechtliches Verfahren gegen den Absender – entgegen den Empfehlungen einer anderen Verwaltungsstelle und entgegen den wiederholten Beteuerungen des Polizisten, dass er damit nicht seinen Vorgesetzten gemeint hätte. Nach dem Verfahren liess sich der Quartierpolizist krankschreiben und erfuhr während dieser Zeit aus den Medien, dass er zukünftig in einem anderen Stadtquartier arbeiten werde. Bei einer Wanderung nahm er sich anschliessend das Leben. Dabei wäre weder das Verfahren gegen den Polizisten noch die überhastete Versetzung nötig gewesen, macht der Abschlussbericht klar.

Noch dramatischer war der zweite Suizid anfangs 2022. Damals tötete sich der Polizist auf dem Polizeiposten selbst. Auch er war versetzt worden, und zwar zum Schalterdienst, allerdings wohl freiwillig, wie der Bericht vermuten lässt. In seinem Abschiedsbrief machte er aber deutlich, dass er gerne Quartierpolizist geblieben wäre.

Personalrechtliche Konsequenzen für die Involvierten hat die Untersuchung indes nicht. Wie der Bericht festhält, arbeiten die meisten der massgebenden Personen nicht mehr in ihrer Funktion. Ein entsprechendes Verfahren würde sich in die Länge ziehen. Der Grund dafür ist im Bericht geschwärzt und lässt sich daher nicht rekonstruieren.

Neue Köpfe, alte Probleme

Der Bericht schliesst mit zahlreichen Empfehlungen: Zeitgemässes Führungsverständnis und transparente Kommunikation sind nur zwei von acht Punkten, die der Bericht fordert. An der öffentlichen Präsentation des Berichtes Ende 2022 gelobte die Stadt Besserung und setzte auf Anfang 2023 einen neuen Kommandanten ein, der die Empfehlungen des Berichtes hätte umsetzen sollen.

Es sollte allerdings anders kommen. Wenige Monate später, im Juli, berichtet der SonntagsBlick davon, dass die Hälfte der Winterthurer Polizeichefs krankgeschrieben sei. Die Transformation sei nicht geglückt, wie Insider berichteten, im Gegenteil. Es herrsche auch unter dem neuen Kommandanten wieder eine Angstkultur. Mehrere personalrechtliche Verfahren waren damals innerhalb der Stadtpolizei am Laufen, mehrere Mitarbeiter litten unter Burn-out. Es soll sogar eine Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat eingegangen sein.

Die Vorwürfe gleichen sich. Auch wenn die Köpfe ausgetauscht wurden, bleiben die Probleme in Winterthur bestehen.

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