Es war eine brutale Attacke, mitten auf dem Basler Centralbahnplatz: Ein Mann schlug im Juni 2022 den französischen Notenbankchef François Villeroy de Galhau (64) von hinten nieder (Blick berichtete). Die Meldung ging um die Welt – und warf die Frage auf: Fiel der Banker, einer der einflussreichsten Männer in der Finanzbranche, in der Schweiz einem Attentat zum Opfer?
Die Anklageschrift enthüllt nun Details zur Tat und zum Angeklagten. Das Schriftstück zeigt: Beim mutmasslichen Täter handelt sich um Stefan T.* (40), einen Schweizer mit Wurzeln in Kenia. T. habe im Wahn versucht, den Topbanker zu töten. Dafür droht ihm die kleine Verwahrung. Am 22. März muss er auf der Anklagebank des Basler Strafgerichts Platz nehmen.
Die Staatsanwaltschaft zeichnet in der Anklageschrift auch die Biografie des Beschuldigten nach: Im Alter von drei Jahren kam er in die Schweiz, seine Mutter heiratete einen Schweizer. Stefan T. machte das kaufmännische Handelsdiplom, studierte sechs Semester Wirtschaftsinformatik und arbeitete danach bei IBM. 2014 kam der Absturz: Burnout, bedingt durch «übermässigen Cannabiskonsum», wie es in der Anklage heisst. Es folgt eine Diagnose wegen paranoider Schizophrenie. T. bezieht Sozialhilfe, häuft Schulden von einer Viertelmillion Franken an. Seine Tage verbringt er häufig am Basler Bahnhof.
Motiv: wahnhafter Groll gegen die Finanzwelt?
So auch jenen verhängnisvollen Sonntag im Juni letzten Jahres. Im markanten Hochhaus neben dem Bahnhof hält die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gerade ihre Jahresversammlung ab. Die massiven Sicherheitsmassnahmen sind nicht zu übersehen, auch für Stefan T. nicht. Er nimmt sein Handy und googelt, was da los ist. T. stöbert im Internet und informiert sich dabei gleich über die Geschäftsleitung der BIZ. Dort finden sich illustre Namen wie Christine Lagarde, Thomas Jordan – und eben der von François Villeroy de Galhau, dem Verwaltungsratspräsidenten.
Nur vier Stunden später überquert der Topbanker den Basler Bahnhofplatz. Der Franzose zieht einen Rollkoffer hinter sich her. Hier kreuzen sich die Wege von Angeklagtem und Opfer.
Laut Anklage handelt Stefan T. aus «einem wahnhaften Groll gegen die Finanzwelt». Er nimmt einen (493 Gramm schweren) Hammer aus seinem Rucksack und verpasst Villeroy de Galhau von hinten «unvermittelt» mindestens einen Schlag auf den Kopf. Der BIZ-Präsident fällt auf die Tramgleise, schlägt mit dem Kopf auf dem Asphalt auf.
Der Angreifer lässt jedoch nicht von seinem Opfer ab, als es wehrlos auf dem Boden liegt. In «gebückter oder teilweise kniender Haltung» schlug T. laut Anklage mindestens weitere drei Male mit dem Hammer auf den Kopf von de Galhau. Passanten können den Angreifer schliesslich von seinem Opfer abbringen. Er habe den Helfern und seinem Opfer dann auf Englisch erklärt, «dass er gar nichts gemacht habe».
Notenbanker hatte Glück im Unglück
Der Banker erleidet einen Bruch hinter dem Ohr, eine tiefe Risswunde hinter der linken Ohrmuschel und eine Schwellung. Er muss ins Spital gebracht werden. Galhau hat Glück im Unglück: Schon wenige Tage nach dem Angriff kann er wieder öffentlich auftreten.
Stefan T. sitzt seit jenem Juni-Tag hinter Gittern. Geht es nach der Staatsanwaltschaft, wird er auch nicht so bald frei kommen. Zwar sei er wegen seiner Störung nicht schuldfähig. Aber er soll in stationäre psychiatrische Behandlung kommen – im Volksmund auch «kleine Verwahrung» genannt.
Weder der Anwalt von T. noch der Vertreter von Villeroy de Galhau haben auf Blick-Anfragen reagiert.
*Name geändert
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