F-35-Beschaffung trotz laufender Untersuchung
Amherds Powerplay

Bundesrat und Bürgerliche forcieren den Kauf der neuen Kampfjets. Die Ergebnisse laufender Untersuchungen werden gar nicht erst abgewartet.
Publiziert: 22.05.2022 um 01:17 Uhr
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Der F-35 hebt ab. Der Bundesrat will den Kaufvertrag so rasch als möglich unterzeichnen.
Foto: Keystone
Simon Marti

Der Bundesrat schlägt ein zackiges Tempo an. Möglichst rasch will die Regierung den Kaufvertrag zur Beschaffung von 36 Kampfjets des Typs F-35 unterzeichnen. Zwar ist die Offerte des US-Herstellers Lockheed Martin noch bis März 2023 gültig, die Landesregierung jedoch fällte ihren Grundsatzentscheid bereits in dieser Woche.

Und die bürgerlichen Parlamentarier stehen Gewehr bei Fuss: Der Ständerat wird im Juni einem schnellen Abschluss des Geschäfts zustimmen, der Nationalrat folgt sehr wahrscheinlich im Herbst. Dann ist der Deal fix. SVP-Nationalrat Mauro Tuena (50, ZH), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) des Nationalrats, hält fest: «Mit der Schlussabstimmung im Nationalrat gibt das Parlament Viola Amherd am Vormittag des 30. Septembers grünes Licht, den Kaufvertrag noch am gleichen Tag zu unterschreiben.»

Ein Powerplay ganz im Sinne der Verteidigungsministerin: Amherd ist kurz davor, das bedeutendste Rüstungsgeschäft dieser Generation ins Trockene zu bringen. Mehr lässt sich in diesem Amt nicht erreichen.

Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und einer beschleunigten globalen Aufrüstung mag die Mitte-Bundesrätin auch keine zweite Volksabstimmung zum Thema abwarten. Dabei scheint sie unausweichlich. Offiziell hat die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) 88'000 der 100'000 notwendigen Unterschriften zusammen. Tatsächlich dürfte die Zahl um einiges höher liegen. Kommende Woche sind Sammelaktionen in Bern und Zürich geplant.

Man werde die Initiative in den Sommermonaten einreichen, kündigt GSoA-Sekretärin Anja Gada an. «Bei unseren Aktionen merken wir, dass viele Menschen mit der grassierenden Rüstungshysterie wenig anfangen können, entsprechend zügig läuft jetzt unsere Sammlung.»

GSoA verärgert

Den Eilmarsch der Bürgerlichen kritisiert GSoA-Sekretärin Gada scharf, Amherd wirft sie Wortbruch vor: «Noch im Februar versicherte die Bundesrätin, die Abstimmung über unsere Initiative abzuwarten. Dann brach der Krieg aus, der vom ersten Tag an instrumentalisiert wurde, um weiter aufzurüsten.»

Die GSoA darf weiterhin auf den Support der SP zählen, wie Sicherheitspolitikerin Franziska Roth (56) deutlich macht. «Die SP hält an ihrer Unterstützung der Initiative fest, das ist sicher», so die Solothurner Nationalrätin.

Viel nützen wird es nicht. Stützt das Parlament das Vorgehen des Bundesrats – und die Mehrheitsverhältnisse sind in dieser Frage derzeit so klar, dass daran kein Zweifel besteht –, droht der Schweiz eine bizarre Abstimmung: Sind die Flieger erst einmal bestellt, kann auch ein Nein an der Urne die Auslieferung nicht mehr stoppen. Eine demokratische Nullnummer.

Allerdings hat das Volk zum Kauf neuer Jets im Herbst 2020 grundsätzlich Ja gesagt – wenn auch denkbar knapp. Darauf stützen sich die Bürgerlichen. Allerdings stand damals kein bestimmter Typ zur Debatte. Die Auswahl des besten Flugzeuges solle man den Experten überlassen, erklärten die Befürworter unisono.

Beschaffungsprozess wird unter die Lupe genommen

Nach einem langwierigen Auswahlprozess fiel die Wahl auf den F-35. Doch noch immer durchleuchten zwei Kontrollorgane den Beschaffungsprozess: So ist die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats dabei, «ausgewählte Aspekte des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug» zu überprüfen. Wann genau die zuständige Subkommission ihre Ergebnisse vorlegt, ist unklar. Wahrscheinlich im August, heisst es in Bern.

Man kommuniziere den Zeitplan nicht, sagt Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini (55, SG), Präsident der Subkommission. «Der Entscheid des Bundesrats ändert an unserer Untersuchung nichts. Wir schauen uns den Evaluationsprozess für die Flugzeuge genauer an und geben keine politische Beurteilung ab, ob der richtige Typ zur Beschaffung ausgewählt wurde.»

Das ist auch nicht gewünscht: Wie SVP-Parlamentarier Mauro Tuena betont, beraten die Sicherheitspolitiker des Nationalrats schon Anfang Juli erstmals über den Kauf des F-35, um das Geschäft für die Herbstsession vorzubereiten. Tuena macht klar: «Es wäre schön, wenn die Subkommission der GPK bis dahin ihre Ergebnisse vorlegt. Aber bindend sind sie für die SiK nicht.»

Rapport im Juli oder August

Noch vor der GPK wird die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ihre Arbeit präsentieren. Die unabhängigen Beamten mühen sich ebenfalls schon seit Monaten mit dem Beschaffungsprozess für die Kampfjets ab. Jetzt stehen sie unmittelbar vor dem Abschluss ihres Rapports. EFK-Direktor Michel Huissoud bestätigt auf Anfrage von SonntagsBlick, der Bericht werde Anfang Juli der Finanzdelegation des Parlaments präsentiert. Nach Übersetzungsarbeiten sei die Publikation des Textes für Juli oder August geplant, dieses Datum stehe aber noch nicht fest.

Es ist offen, ob GPK und EFK am Ende tatsächlich Versäumnisse im Beschaffungsprozess monieren. Im Falle der EFK hätten wenige Wochen des Wartens genügt, um dem Bundesrat in dieser Frage Klarheit zu geben. Auch dann hätte die Frist der amerikanischen Hersteller eingehalten werden können. Aber Bundesrätin Amherd, ihre Kollegen in der Landesregierung und eine grosse Mehrheit des Parlaments scheinen mit ihrer Geduld am Ende zu sein. Politisch günstig ist das Manöver ohnehin.

SP-Nationalrätin Roth warnt davor, die Kontrollorgane EFK und GPK einfach zu übergehen. Demokratiepolitisch sei dies in etwa so, «wie bei Rot über die Kreuzung zu fahren und bei einem Unfall zu behaupten, die Ampel sei als Empfehlung gedacht». Dagegen wehre sich ihre Partei entschieden.

Entschieden – aber ziemlich sicher vergebens.

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