Seit Monaten steht der Tarnkappenjet F-35, den die Schweiz für mehr als sechs Milliarden Franken kaufen will, unter Beschuss. Kosten sollen schön gerechnet worden sein, das Auswahlverfahren sei höchstfragwürdig gewesen und zu unguter Letzt: Das Hightech-Flugzeug von US-Hersteller Lockheed Martin sei nochmals viel lauter als die heutigen Schweizer Kampfjets F/A-18.
Das Verteidigungsdepartement VBS von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (59) steckt seit Monaten im Verteidigungsmodus fest. Auch wegen der drohenden Volksinitiative «Stop F-35» wehrt es sich mit Händen und Füssen gegen jede Kritik.
VBS betont: nur noch halb so viele Trainingsflüge
So versucht das VBS derzeit, lokale Behörden, Interessengemeinschaften und Anwohner rund um die drei Militärflugplätze Payerne VD, Meiringen BE und Emmen LU zu überzeugen: Mit dem F-35 bleibe die jährliche Gesamtlärmbelastung im Durchschnitt gleich wie heute. Zwar sei der Tarnkappenjet «etwas lauter», künftig seien aber nur noch etwa halb so viele Trainingsflüge nötig, unter anderem weil der neue Jet pro Flug mehr Aufgaben erledigen könne.
Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa hat eigens akustische Messungen vorgenommen, die aber als vertraulich unter Verschluss gehalten werden. Das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) gibt einzig einen Kurzbericht heraus. Dessen Fazit: Alles halb so wild.
Der einzelne Start wird aber spürbar lauter
Rund drei Dezibel sei der F-35 beim Start lauter als der heutige F/A-18. Das sei «im Alltag in einer Flugplatzumgebung mit dem Gehör gerade wahrnehmbar», redet das VBS den Unterschied klein. Bei der Landung dagegen sei der F-35 praktisch gleich laut. Grösser ist der Unterschied dagegen beim Rollen am Boden: Hier ist der US-Tarnkappenjet gleich fünf Dezibel lauter als die heutigen Kampfflugzeuge. Gleichzeitig komme es vermehrt zu tiefen Frequenzen.
Drei Dezibel mehr tönt wirklich nicht nach viel. Tatsächlich aber ist der Unterscheid gross: Beim Start verursacht der F-35 denselben Schalldruck wie zwei F/A-18, die gleichzeitig starten. Da erstaunt es wenig, dass es etwa in Dänemark, wo der F-35 bereits im Einsatz ist, bereits zu Lärmklagen gekommen ist.
Andernorts ist die Zahl der Lärmklagen deutlich gestiegen
Ähnlich in Norwegen oder Holland, wo sich im vergangenen Oktober die «Rundschau» von Fernsehen SRF umgehört hat. Der Beitrag zeigt: Anwohner leiden unter dem F-35. Seit dessen Einführung sei die Zahl der Lärm-Beschwerden ist in die Höhe geschnellt. Viele störe nicht nur die blosse Lautstärke, sondern auch die tiefen Frequenzen des F-35-Lärms. Sie sorgen für Vibrationen, Vasen oder Geschirr wackeln. In einer Dorfschule nahe der Startpiste würden Lärmwerte bis 110 Dezibel gemessen – so laut wie ein Presslufthammer.
In Meiringen macht das Sorgen. Massgebend sei der einzelne Start, die einzelne Landung, nicht die durchschnittliche Belastung, sagt Gemeindepräsident Roland Frutiger im gleichen TV-Beitrag: «Es darf nicht lauter werden.» Ein weiterer Vergleich mit dem Ausland zeigt aber, dass etwa Norwegen deutlich mehr in den Schallschutz von Anwohnern investiert als etwa die Schweiz bis anhin.
VBS prüft nun doch weitere Lärmschutzmassnahmen
Bis vor kurzem hatte sich das VBS davon wenig beeindruckt gezeigt. Mittlerweile tönt es anders: Zusammen mit dem US-Hersteller Lockheed Martin und der Empa sollen weitere Möglichkeiten geprüft werden, um den Lärm rund um die Flugplätze «soweit wie möglich» zu mindern. In einer Mitteilung ist etwa von Flugrouten und -Geschwindigkeiten die Rede. «Bei Bedarf» werde das VBS zudem weitere Schallschutzfenster einbauen lassen. Der Druck scheint Spuren zu zeigen.
Der Schutzverband Emmen (SFE) zeigte sich am Mittwochabend in einer Stellungnahme dennoch besorgt. Die Reduktion der Flugbewegungen resultiere daraus, dass es keine Flüge mit Tiger-Jets mehr geben werde. Dieser Kampfjet sei deutlich leiser als der F/A-18 oder der F35. Es sei geplant, mit dem F-35 mehr zu fliegen als heute mit dem F/A-18. Man erwarte daher insgesamt eine stärkere Belastung in einem grösseren Gebiet.