Während Jahren kämpften die grossen Flugzeugbauer um diesen Milliardendeal: Die Schweizer Luftwaffe suchte dringend Nachfolger für die alternde F/A-18-Flotte. Seit Sommer ist der Wettbewerb gelaufen: Im Juni verkündete Verteidigungsministerin Viola Amherd (59, Mitte) den Entscheid des Bundesrats zugunsten der F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin.
Ruhig wird es dennoch nicht um das grösste Schweizer Rüstungsgeschäft der letzten Jahrzehnte.
Nicht alle unterlegenen Anbieter akzeptieren den Beschluss. Airbus, Hersteller des Eurofighters, macht Stimmung gegen die F-35. Wie mehrere Parlamentarier berichten, versucht der europäische Konzern mit Sitz in Bayern die Evaluation, die dem Entscheid des Bundesrats voranging, zu diskreditieren.
Die Politiker erhielten noch im Oktober, Monate nach Ende der Ausmarchung, ein Dossier, das über 13 Seiten den Beschaffungsprozess des Bundes zerzaust. Das Dokument liegt SonntagsBlick vor. «Der Auswahlprozess ist nicht objektiv, beinhaltet formale und inhaltliche Fehler, wurde nachträglich verändert und unterschlägt Teil-Ergebnisse», heisst es darin.
Wütender Rundumschlag
Einen Autor nennt das Papier nicht, auch der Name Airbus taucht nicht auf. Die PDF-Datei weist jedoch Andreas Hauck als Verfasser aus, «Director of Airborne Communications Projects» bei Airbus. Nicht nur die F-35 wird bei dem Rundumschlag schlechtgemacht. Auch vor seinem Herkunftsland warnt der europäische Hersteller eindringlich: «Mit einer Auswahl der F-35 begibt man sich in eine sicherheits- und verteidigungspolitische Abhängigkeit zu den USA, deren Ausrichtung schwankenden politischen Konstellationen und Wertvorstellungen unterliegt.»
Diese Tirade gegen den Nato-Partner mag grotesk erscheinen, aber scheitert der Kauf der F-35 doch noch, hätte Airbus wieder Chancen, der Schweiz ihren Eurofighter anzubieten. Letztens drängte ein Lobbyist Parlamentarier vergeblich, das Auswahlverfahren in der Geschäftsprüfungskommission (GPK) zu untersuchen.
Hätte die Kommission tatsächlich eine solche Ermittlung angestrengt, wäre der Imageschaden für das Verteidigungsdepartement und die F-35 gewaltig.
Kaufverbot für US-Flieger gefordert
«Wettbewerbsrechtlich heikel und demokratiepolitisch nicht zu rechtfertigen», beurteilt der grünliberale Sicherheitspolitiker und Jurist Beat Flach (56, GLP) die Taktik, den Evaluationsprozess schlechtzumachen, weil man den Zuschlag nicht erhalten habe. Dies helfe nur Gegnern neuer Kampfflugzeuge, sagt der Aargauer Nationalrat.
Und die machen längst mobil: Linke sammeln Unterschriften für eine Volksinitiative, die ein Kaufverbot für den US-Flieger in der Verfassung verankern will.
Die Chancen der Initianten stehen nicht schlecht: Als im vergangenen Jahr das Volk ein erstes Mal über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge abstimmte, ohne zu wissen, welcher Flugzeugtyp am Ende das Rennen machen würde, gewannen die Jet-Befürworter mit einem hauchdünnen Vorsprung von einigen Tausend Stimmen. FDP-Präsident Thierry Burkart (46, AG) leitete 2020 die Ja-Kampagne. Nun denkt der Aargauer Ständerat laut über Konsequenzen für Konzerne wie Airbus nach, die noch immer Zweifel an der Evaluation säten.
«Alle Anbieter waren mit dem Ablauf des Prozesses einverstanden. Man muss sich überlegen, ob jemand, der sich nicht an die Abmachungen hält, eine gewisse Zeit für künftige Rüstungsgeschäfte ausgeschlossen werden soll», so Burkart.
«Unabhängige Lageeinschätzung»
Airbus weist diese Vorwürfe von sich. Man spiele absolut transparent und mit offenen Karten. «Wir haben seit der Verkündung im Juni dieses Jahres vermehrt Anfragen zu Fakten und Hintergründen im Kampfjetentscheid von Ministerien, Journalisten und Parlamentariern erhalten», schreibt der Sprecher von Airbus Defence and Space, Florian Taitsch. Das Dokument sei eine «unabhängige Lageeinschätzung unserer Aviatik-Experten» und diene der internen Analyse. Es werde nicht aktiv verteilt, aber bei konkreten Anfragen verwendet.
Taitsch betont: «Wir beeinflussen nicht den politischen Prozess, sondern sorgen für eine transparente Faktenlage, um es dem Parlament zu ermöglichen, die beste Entscheidung für die Schweiz treffen zu können.» Die Eurofighter-Offerte bleibt selbstverständlich gültig.
Etwas anders stellt sich die Gemütslage im Verteidigungsdepartement dar. «Alle Anbieter erklärten im Vorfeld des Typenentscheides, dass der Prozess korrekt sei. Ihnen war bewusst, dass nur ein Flugzeugtyp beschafft wird, und somit waren sie auch bereit, den Entscheid zu akzeptieren», sagt Kommunikationschef, Renato Kalbermatten.
Daher wäre das VBS erstaunt, wenn der Entscheid des Bundesrats von den Anbietern nicht akzeptiert, Gegenargumentarien publiziert oder verstecktes Lobbying gegen den Entscheid betrieben würden. Kalbermatten: «Falls das der Fall sein sollte, wäre die Vorgehensweise sehr problematisch und für die künftige Zusammenarbeit und das Image der Hersteller in der Schweiz nicht förderlich.»
Eine höfliche Art zu sagen: Genug ist genug.