Es soll der Fünfer und das Weggli sein: Der Tarnkappenjet F-35, den die Schweiz kaufen will, sei nicht nur der beste Kampfjet, sondern auch gleich noch der günstigste. Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) lässt kaum eine Gelegenheit aus, um für den US-Flieger zu werben.
Weniger offensiv verkündet sie dagegen, dass Anbieter Lockheed Martin bei den sogenannten Offset-Geschäften im Vergleich zur Konkurrenz weniger gut abschneidet. Solche Gegengeschäfte sollen der Schweizer Wirtschaft Aufträge und damit Arbeitsplätze und Steuererträge sichern. Doch: Der US-Konzern muss hier noch einigen Boden gut machen – und zwar rasch. Denn über dem Rüstungsdeal hängt die «Stop F-35»-Initiative als Damoklesschwert.
Schlechte Erfahrungen in anderen Staaten
Droht in der Schweiz eine ähnliche Pleite wie im Ausland? Lockheed Martin hat in der Vergangenheit bei vertraglich zugesicherten Gegengeschäften nämlich nicht immer eine gute Figur gemacht. So blieben diese in Belgien weit hinter den Erwartungen zurück. «War Belgien beim F-35-Kauf naiv?», fragten nationale Medien darauf. Der US-Konzern habe immer wieder neue Bedingungen gestellt sowie «militärische Geheimnisse» vorgeschoben. Mittlerweile sei man aber auf gutem Weg, versichert Lockheed Martin zumindest.
Noch schlechter sieht es in Polen aus: Anfang Jahr beschloss das polnische Verteidigungsministerium, gleich ganz auf vereinbarte Gegengeschäfte zu verzichten. «Die amerikanischen Vorschläge waren für uns nicht zufriedenstellend», werden Behördenvertreter von polnischen Medien zitiert. Polen habe keine «relevanten Wartungs- oder Produktionskapazitäten» für die F-35 erhalten.
In der Schweiz beschwichtigt das Bundesamt für Rüstung, die Armasuisse. Mit dem 6-Milliarden-Deal würden «in den kommenden Jahrzehnten mehrere Tausend hochqualifizierte Arbeitsplätze gesichert», gibt man sich überzeugt. Lockheed Martin muss 60 Prozent des Kaufpreises durch die Vergabe von Aufträgen in der Schweiz kompensieren – also rund 3,6 Milliarden Franken.
Amerikaner müssen Fortschritte präsentieren können
Auch der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) ist «guter Dinge», dass Lockheed Martin schon bald einen Grossteil der Verpflichtungen gesichert hat, betont Sprecher Jonas Lang.
Und das ist auch dringend nötig. Denn wenn die Initiative «Stop F-35» an die Urne kommt, reicht Zweckoptimismus nicht mehr. Bis dann müssen konkrete Fortschritte präsentiert werden können. Das Volksbegehren ist im vergangenen August von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grünen lanciert worden.
Kann Lockheed Martin bis zur Abstimmung aber nicht aufzeigen, dass bei dem Deal auch die verschiedenen Regionen der Schweiz profitieren, spielt das den Kampfjet-Gegnern in die Hände. Das wäre eine schlechte Ausgangslage – vor allem angesichts der Jet-Abstimmung vom September 2020, die nur mit einem Zufallsmehr gewonnen wurde.
Die Initiative aus GSoA-Kreisen hilft damit direkt der Schweizer Wirtschaft: Wegen des drohenden Urnengangs hat Lockheed Martin Druck, bald zu Verträgen mit hiesigen Unternehmen zu kommen.
Lockheed Martin ist zuversichtlich
«Die Zielsetzung ist bekannt und wir werden sie erreichen», sagt Patrick Nyfeler, Geschäftsführer von Lockheed Martin Schweiz. Bereits seien verschiedene Projekte aufgegleist. Er hebt etwa den vom Bund schon vorgenehmigten Deal mit der Mecaplex AG hervor. Der Grenchner Firma winkt ein Grossauftrag für insgesamt 800 Cockpit-Verglasungen und 400 komplette Cockpithauben. Das bringe der Region Investitionen von mehreren 100 Millionen Franken sowie rund 100 Arbeitsplätze.
Bei der Cybersicherheit sollen die Tessiner Firma Nozomi Networks sowie das auf digitale Sicherheitssysteme spezialisierte Unternehmen Kudelski profitieren. «Eigens für die Schweiz wird ein zusätzliche Sicherheitslayer für Daten und Systeme geschaffen, weil hier sehr grosser Wert auf die Sicherheit gelegt wird», betont Nyfeler. Damit würden weitere Stellen im Tessin und in der Romandie entstehen. Unterzeichnet ist bisher zumindest eine Absichtserklärung.
Bei Fehlschlag droht eine saftige Busse
Hinzu komme die Wartung der Triebwerke durch die Ruag in Stans sowie SR Technics in Kloten ZH. Das bedeute weitere 200 Arbeitsplätze, nochmals wirtschaftlicher Nutzen von mehreren 100 Millionen Franken, zählt Nyfeler auf. Eine Zwischenbilanz zu den vertraglich festgelegten Vorgaben kann oder will Lockheed Martin derzeit aber dennoch nicht nennen.
Aufs Tempo drückt der US-Flugzeugbauer aber nicht nur wegen der Volksinitiative. Kann der Konzern nicht fristgerecht genügend Kompensationsgeschäfte vorweisen, droht ihm eine saftige Busse von mindestens fünf Prozent des nicht erfüllten Anteils.
Noch müssen sich die Amerikaner aber keine allzu grossen Sorgen machen. Der Bund gewährt ihnen eine Frist bis spätestens im Jahr 2034 – vier Jahre nach Lieferung des letzten Jets.