Extremismus-Forscher über Staatsverweigerer und den Fall Stefan Oschmann (43)
«Stehen sie mit dem Rücken zur Wand, wird es gefährlich»

Dirk Baier (46) ist Leiter des Instituts für Delinquenz & Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Für Blick schätzt er den Fall von Stefan Oschmann (43) ein.
Publiziert: 28.10.2023 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2023 um 11:23 Uhr
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Dirk Baier (46) ist Leiter des Instituts für Delinquenz & Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Foto: zVg
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Michael SahliReporter News

Die Ansichten von Stefan Oschmann (43) wirken extrem. Trotzdem gibt es in der Schweiz mehrere Tausend Menschen, die seine Ideologie teilen. Zu diesem Schluss kommt Dirk Baier (46), Leiter des Instituts für Delinquenz & Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Baier definiert Staatsverweigerer folgendermassen: «Ein Staatsverweigerer malt sich einerseits die fundamentale Ablehnung von Rechtsordnung und Staat aus.» Andererseits werde diese Ablehnung mit Verschwörungstheorien begründet – zum Beispiel, dass der Staat nur eine Firma ist. Besonders die Corona-Pandemie habe der Bewegung zu einem Aufschwung verholfen.

«Für viele dieser Menschen wurde die Verschwörung zu ihrer Identität»

Der Gewalt-Experte sagt: «Für viele Menschen, die während Corona das Zahlen von Steuern etc. eingestellt haben, wird es jetzt langsam schmerzhaft.» Dies könne zu gefährlichen Situationen führen. «Der vermeintlich übermächtige Staat wird sichtbar. Die Betroffenen fühlen sich mit dem Rücken zur Wand – das kann eskalieren.»

Stellt sich die Frage: Wie soll man mit solchen Menschen umgehen? Gibt es eine Möglichkeit, sie in die Gesellschaft zurückzuholen? «Das ist ganz schwierig», so Baier. «Hier müsste ein Profi ran. Ein Sozialarbeiter, der eine alternative Zukunft aufzeigen kann. Denn das ist es, was solchen Leuten fehlt. Für viele dieser Menschen wurde die Verschwörung zu ihrer Identität.»

Der Preis für eine Rückkehr in die Gesellschaft ist hoch

Dazu komme: Für Menschen wie Stefan Oschmann wird der Preis für eine Rückkehr in ein schuldenfreies Leben hoch. Bei vielen haben sich Mahngebühren, Gerichtskosten, Pfändungen etc. in den letzten Jahren zu einem Schuldenberg aufgetürmt. «Das hat sie im Glauben, dass der Staat böse ist, nur noch bestärkt», so Baier.

Trotz allem: Baier prognostiziert, dass die Staatsverweigerer-Szene in Zukunft wohl nicht mehr so schnell weiterwächst. «Wenn keine Coronakrise 2.0 kommt, gehe ich davon aus, dass die Szene zwar erhalten bleibt, aber, dass es keinen Zuwachs mehr gibt», sagt er. Punkto Gefährlichkeit sieht der Experte zwar ein weiterhin bestehendes Restrisiko, aber keine unmittelbare Bedrohung. Fazit: Seit dem Ende der Pandemie fehle den Staatsverweigerern der gemeinsame Feind.

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