Blick: Wie werden Kinder und Jugendliche in extremistische Welten auf Gaming-Plattformen gelockt?
Linda Schlegel: Der Grundsatz für Propaganda ist, «meet them where they are». Also man muss die Zielgruppe da ansprechen, wo sie sich bereits aufhält. Und Gaming-Räume sind dafür natürlich sehr geeignet. Dort tummeln sich Millionen von Nutzern, die mit «coolen» Inhalten angesprochen werden können, die sie schon kennen und die sie auch mögen.
Gibt es Belege, dass Videospiele gewalttätig machen?
Videospiele sind im Allgemeinen kein Instrument zur Gehirnwäsche. Wir wissen zum Beispiel aus der Videospielforschung zur Aggression, dass es nicht automatisch so ist, dass wenn ich ein Spiel mit Gewaltinhalten spiele, selber gewalttätig werde. Da gibt es keinen direkten Zusammenhang. Ähnliches gilt für die Radikalisierung. Games können zwar dazu beitragen, es reicht aber nicht, die Propagandainhalte darin nur zu konsumieren. Sonst wären ja alle Forschenden zum Thema auch schon längst radikalisiert. Radikalisierung ist multikausal.
Wer ist denn besonders empfänglich dafür?
Wir wissen zum Beispiel, dass Leute, die sehr stark nach einem Sinn in ihrem Leben suchen und gerade auch Jugendliche, die etwas suchen, woran sie sich festhalten können, aufgeschlossen für derlei Inhalte sind. Wenn diese Faktoren zusammenkommen und man dann mit solchen Inhalten in Kontakt kommt, die einem sagen: Hier ist der Sinn, den du suchst! Das ist deine Rolle! Und ich erkläre dir jetzt, warum es dir nicht gut geht in dieser Gesellschaft: weil du nämlich unterdrückt wirst! Das kann natürlich Radikalisierungsprozesse wahrscheinlicher machen.
Was können Eltern denn tun, um so etwas zu verhindern?
Das Gleiche, wie beim Schutz vor Kindern bei pädophiler Ansprache in solchen Räumen: Man muss die Kinder darüber informieren, dass diese Gefahr existiert. Das ist für viele Eltern aber sehr schwierig, weil sie sich im Gaming-Bereich selbst nicht auskennen, wobei genau das nötig wäre, um die Kinder zu schützen. Falls man den Verdacht hat, dass das Kind bereits in so etwas involviert ist, gibt es Präventionsstellen, die Unterstützung bieten.
Und was unternehmen die Behörden?
Auch hier fehlt manchmal das Wissen. Darum arbeiten wir beispielsweise mit der Polizei zusammen. Ausserdem ist es ohnehin schwierig, solche Inhalte zu finden, da diese oft mit sprachlichen Codes getarnt sind und den extremistischen Hintergrund nicht verraten, um nicht von den Plattformen gelöscht zu werden.
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