Seit einer Woche ist bekannt, dass der Rechtschreibrat in Sachen Genderstern praktisch nichts entschieden hat. Das bringt Lutz Götze (79) auf die Palme. Der deutsche Linguistik-Professor sitzt im obersten Sprachgremium und hatte schon im Vorfeld der -Sitzung Stimmung gegen den Genderstern gemacht.
Am Freitag legte das SPD-Mitglied -Götze in einem Leserbrief in XXL-Länge nach – und zwar in der konservativen «Frank-furter Allgemeinen Zeitung». Er warnte vor sprachlichen «Absurditäten» wie «Krankenschwesterin», «Mitgliederin» oder «gebärende Person» statt Mutter. Diese Wörter waren indes nicht Thema des Rechtschreibrats.
Götze beklagte in dem Leserbrief auch, dass der Rechtschreibrat auf Zeit spiele. Die Mitglieder hofften, dass die -«widerspenstigen, alten, weissen, heterosexuellen Männer demnächst den Rat verlassen». Götze ruft zum Widerstand gegen das Gendern auf: «Das Engagement vieler Menschen ist vonnöten!»
«Es ist eine Schlammschlacht. Aber eine sehr einseitige.»
Kaum war der Leserbrief veröffentlicht, keilte der Direktor des Instituts für deutsche Sprache, Henning Lobin (59), auf Twitter zurück. Lobin sitzt ebenfalls im Rechtschreibrat und wirft Götze vor, sich über einen Beschluss aufzuregen, dem er selbst zugestimmt habe. Die Befürworter des Genderns seien genauso weiss und heterosexuell wie Götze und «mit 50 bis 70 Jahren auch nicht mehr wirklich jung».
Mehr noch: Henning Lobin wirft Männern wie Lutz Götze «Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust» vor: «Dass diese Angst nicht zur inneren Einkehr führt und einer dem neunten Lebensjahrzehnt angemessen Milde, sondern sich in Diffamierungen, Misogynie und Durchstechereien äussert, ist eine der weniger schönen, aber anscheinend unvermeidlichen Erfahrungen, die man bei der Arbeit im Rechtschreibrat machen muss.»
Was sagt der Schweizer Linguist Peter Gallmann (71) zum Wortgefecht der Professoren? Er sitzt ebenfalls im Rechtschreibrat. «Es ist eine Schlammschlacht. Aber eine sehr einseitige. Herr Götze wirft mit Schlamm. Die andere Seite verhält sich relativ ruhig», sagt Gallmann zu SonntagsBlick. Götzes Pamphlet verurteilt er scharf: «Das ist nicht polemisch, sondern einfach nur weinerlich.»
Gallmann ist in der Angelegenheit nicht neutral – er hatte sich im Vorfeld für Lobin starkgemacht. Das zentrale Argument: Der Genderstern sei eine stilis-tische Frage – und keine der Rechtschreibung. «Ich rate dringend dazu, nicht in Panik zu verfallen», sagt der Schaffhauser Gallmann. «Der Rat hat weder Genderzeichen verboten noch gefordert. Aber offenbar fühlen sich manche so bedroht, dass sie -sofort über-reagieren. -Niemand will Genderzeichen vorschreiben.»
«Es ist auch kein Fehler, wenn man ohne Genderstern schreibt.»
Auf Schweizer Schulen sieht Gallmann kein Chaos zukommen: «Die Lehrpersonen wissen ganz genau, was zu tun ist. Ein Genderstern im Aufsatz ist kein Fehler. Und es ist auch kein Fehler, wenn man ohne Genderstern schreibt.»
Freut er sich wenigstens über die -lebhafte Debatte? Gallmann nüchtern: «Als Grammatiker habe ich eigentlich genügend Action.»
Und was sagt der in Kritik geratene Götze? «Mir wird zu viel gequatscht, zu wenig gehandelt.»
Deswegen setze er sich öffentlich zur Wehr. Er selbst sieht keine Schlammschlacht, sondern ein «öffentliches Austragen von Argumenten». Und das dürfe ruhig auch mal emotional werden.
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