Erinnern Sie sich an die Rechtschreibreform der 1990er-Jahre? Aus Spaghetti sollten Spagetti werden. Aus Mayonnaise Majonäse. Durchgesetzt hat sich das nicht, die Reform scheiterte. Verglichen mit damals sind Genderstern und Genderdoppelpunkt eine Reform von unten nach oben.
Ich bin kein Fan von Schreibweisen: wie «Die*der Gläubiger*in muss ein Arrestbegehren stellen.» Aber auch davon geht die Welt nicht unter. Wer den Genderstern benutzen will, soll es tun. Dokumente und Schreibweisen sind immer Kinder ihrer Zeit. Oder trauert jemand ernsthaft dem Fräulein hinterher?
Sprache lebt von Freiheit und Wohlwollen. Von der Freiheit zu sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Und vom gegenseitigen Wohlwollen: also so zu kommunizieren, dass man niemanden verletzt, aber auch nicht bewusst missverstanden wird.
Problematisch jedoch sind Scheindebatten. Dieselben Kreise, die vor einer Verhunzung der Sprache warnen, giessen mit Parolen à la «Gender-Terror, Woke-Wahnsinn und Cancel Culture» Öl ins Feuer. Ganz im Sinne Donald Trumps werden erst Probleme konstruiert, dann bekämpft und am Ende beklagt, die wirklichen Probleme des Landes blieben auf der Strecke.
Solche Wahlkampfmanöver sind ebenso erfolgreich wie durchsichtig: Es ist leichter, sich über den Genderstern zu empören, als Lösungen gegen Transfeindlichkeit zu präsentieren, Menschen mit Behinderung zu integrieren oder den Lehrermangel zu beheben.
Doch am Ende zählen Worte und Taten.