Diese Schweizer Touri-Hotspots sehen selten so idyllisch aus
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Dichtestress statt Entspannung:Diese Schweizer Touri-Hotspots sehen selten so idyllisch aus

Das Foto von Tobias Ryser (42) machte den Muttenchopf zum Instagram-Hotspot
«Das macht mir Bauchschmerzen»

Tobias Ryser hat ein Foto vom Glarner Muttenchopf gemacht, das zahlreiche Instagram-Nutzer inspirierte, selbst für ein Foto dorthin zu reisen. Weil nun die Natur unter den vielen Touristen leidet, bereut der Profi-Fotograf sein Foto.
Publiziert: 21.08.2023 um 17:07 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2023 um 18:39 Uhr
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Der Muttenchopf, eine Bergspitze über dem Limmernsee im Südglarus.
Foto: Tobias Ryser
David Rutschmann

Der Limmerensee liegt wie eine stille, smaragdgrüne Fläche in einem Schoss sanft vernarbter Felsen. Am Himmel ziehen Wolken vorüber und werfen Schatten auf die Felsenwände. Ein tolles Bild, das Tobias Ryser (42) mit seiner Kamera einfing. Anschliessend teilte er das Foto auf Instagram. Das war vor sieben Jahren. Was der Schweizer damals nicht ahnte: Sein Bild löste einen regelrechten Hype aus. Mittlerweile ist der Muttenchopf bei Linthal im Kanton Glarus überlaufen. Viele wollen genau so ein Bild schiessen, wie Ryser. 

Zum Teil sieht es aus, wie auf einem Festival-Zeltgelände. «Wie es dort mittlerweile zu und hergeht, kann ich mir vorstellen, wenn ich die unzähligen Bilder von dort täglich in der Timeline sehe», sagt Ryser zu Blick. «Ein Bekannter hat mir gesagt, seit Corona ist der Ansturm noch grösser geworden.»

Wohl fühlt er sich mit dieser Entwicklung freilich nicht – er bereut nun sogar, das Foto je auf Social Media veröffentlicht zu haben. Denn unlängst hat SRF berichtet, dass wegen des Fotos mittlerweile pro Wochenende 15 bis 20 Zelte die Natur massiv stören. Zu viele Touristen campieren für das perfekte Foto. «Es nimmt ein Ausmass an, das wirklich prekär wird für Tierwelt und Flora», sagt Samuel Gantner, Wildhüter im Kanton Glarus, zu SRF.

«Ich unterstütze, wenn die Jungen rausgehen»

Auch wenn Ryser selbst nicht mehr auf dem Muttenchopf war: Die Berichte über gestresste Tierarten und Vandalismus an Schäferhütten belasten ihn. Den Abfall der neuen Instagram-Hype-Generation unter den Wanderern sieht er ja selbst auf seinen Touren. «Das macht mich traurig und nachdenklich über meine eigene Verantwortung als professioneller Naturfotograf», so Ryser zu Blick.

Der Fotograf steckt in der Zwickmühle. Denn eigentlich erreicht er mit viralen Fotos der Naturaufnahmen sein Ziel: Er zeigt die Schönheit der Schweiz und inspiriert viele Menschen, sie entdecken zu wollen. «Ich unterstütze, wenn die Jungen rausgehen, die Natur erleben und entdecken wollen. Wenn sie eine Bindung zur Natur aufbauen, werden sie motiviert, die Umwelt zu wahren und zu schützen.»

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«Instagram ist wie ein Brandbeschleuniger»

Doch der Hype sei ihm zu viel. Denn die Natur leide darunter. «Die Natur verträgt die Menschenmasse nicht», sagt er, auch im Hinblick auf die anderen viralen Hotspots in der Schweiz: Caumasee, Brienzersee, Aescher. Wenn es so weitergehe, seien weitere Verbote – andernorts gibt es bereits Zeltverbote – wohl die realistische Antwort darauf. «Das macht mir Bauchschmerzen.»

Knigge für Natur-Newbies

Du kannst nicht auf das Foto am Muttenchopf, am Blauensee oder auf dem Aescher verzichten? Naturfotograf Tobias Ryser hat ein paar grundsätzliche Grundsätze, mit denen du respektvoll den Anblick der Instagram-Hotspots geniessen kannst und die Natur trotzdem schonst, so gut es geht:

  • Halte dich an die Regeln. Beachte Naturschutzzonen, Wildschutzgebiete und Wildruhezonen und halte dich an die Drohnenflugverbote.
  • Vermeide Übernachtungen an der Baumgrenze. Diese wird von vielen Wildtieren bevorzugt benutzt.
  • Baue deinen Schlafplatz erst am Abend auf und baue morgens zügig ab.
  • Tierwohl geht vor! Sei dir bewusst, dass du Gast bist und verhalte dich entsprechend.
  • Hinterlasse keine Spuren, aber nimm schöne Eindrücke nach Hause.
  • Motiviere andere zu diesem Verhalten und sei ein Vorbild. Sprich andere an, wenn du siehst, dass sie sich respektlos verhalten.
  • Überlege dir gut, was du auf Social Media postest, vermeide Geotags und behalte deine Lieblingsorte für dich.

Du kannst nicht auf das Foto am Muttenchopf, am Blauensee oder auf dem Aescher verzichten? Naturfotograf Tobias Ryser hat ein paar grundsätzliche Grundsätze, mit denen du respektvoll den Anblick der Instagram-Hotspots geniessen kannst und die Natur trotzdem schonst, so gut es geht:

  • Halte dich an die Regeln. Beachte Naturschutzzonen, Wildschutzgebiete und Wildruhezonen und halte dich an die Drohnenflugverbote.
  • Vermeide Übernachtungen an der Baumgrenze. Diese wird von vielen Wildtieren bevorzugt benutzt.
  • Baue deinen Schlafplatz erst am Abend auf und baue morgens zügig ab.
  • Tierwohl geht vor! Sei dir bewusst, dass du Gast bist und verhalte dich entsprechend.
  • Hinterlasse keine Spuren, aber nimm schöne Eindrücke nach Hause.
  • Motiviere andere zu diesem Verhalten und sei ein Vorbild. Sprich andere an, wenn du siehst, dass sie sich respektlos verhalten.
  • Überlege dir gut, was du auf Social Media postest, vermeide Geotags und behalte deine Lieblingsorte für dich.

Ryser zieht seine Lehren aus der negativen Erfahrung mit seinem Muttenchopf-Bild: Viele Bilder auf seinem Instagram-Account hat er gelöscht und die Ortsangabe entfernt. «Einige meiner Lieblingsorte behalte ich für mich und zeige sie nicht auf Social Media. Ich weiss, die Orte werden irgendwann trotzdem entdeckt werden. Aber Instagram ist wie ein Brandbeschleuniger und wenn man einen Ort mit Hashtags pusht, ist dies wie ein Todesstoss.»

Auch mit den Teilnehmern seiner Foto-Workshops vereinbart er per Handschlag, dass sie die entstandenen Bilder nicht auf Social Media teilen. Er selbst will verantwortungsbewusst posten. Denn wenn er junge Leute inspirieren kann, in die Natur zu gehen, dann schafft er es vielleicht ja auch, dass sie sich dort respektvoll verhalten.

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