Der Dienstag startet für mich als Reporterin eigentlich wie immer. Nach möglichen Geschichten suchen und diese meinen Chefs zur Umsetzung vorschlagen. Eine meiner Ideen: Wegen des Ja zum Verhüllungsverbot am Wochenende mit einer Burka durch die Gegend spazieren und die Reaktionen der Menschen beobachten.
Später werde ich merken, dass ich dieses Experiment lieber nicht angeboten hätte. Mein Chef jedenfalls findet die Idee spannend. Er schickt mich los – zusammen mit einem Blick-TV-Reporter, der die Reaktionen mit versteckter Kamera filmen soll, und einem Reporter-Kollegen, der meinen Ehemann spielt und mich beschützend begleitet.
Burka wartet seit Jahren auf Einsatz
Bevor ich mich mit meinen Arbeitskollegen treffe, muss ich eine Burka organisieren. Zum Glück kein Problem: Eine gute Freundin hat mir vor Jahren mal eine solche als Souvenir von ihrem Afghanistan-Aufenthalt mitgebracht. Bisher hing das hellblaue Original-Teil jedoch ungenutzt bei mir im Schrank. Wahrscheinlich ist es Schicksal, dass ich sie jetzt doch noch einmal gebrauchen kann.
Doch schon beim Anziehen stellt sich mir die Frage: Was ziehe ich bloss darunter an? Eine kurze Recherche im Internet hilft mit weiter, und bald stehe ich da mit schwarzen Schuhen, weiten Hosen und einem fast knielangen Oberteil. Ein langes Jäckchen spendet mir an diesem doch etwas kühlen Tag zudem etwas Wärme.
Unterwegs mit versteckter Kamera
Kurz die Augen geschminkt und die Burka ins Auto geladen, geht es los nach Egerkingen SO. Dorthin, wo die Burkaverbots-Initiative geboren wurde.
Dort angekommen, besprechen wir unser Vorgehen. Nicht provozieren, nicht auffallen – wir wollen uns möglichst so verhalten, wie es ein normales muslimisches Paar auch tut. Kurz vor Mittag geht es los: das Funk-Mikrofon angesteckt und die Burka über den Kopf gestülpt. Immer einen Schritt hinter meinem «Ehemann». Unter dem Gewand ist es angenehm kühl.
Durchlöchert von Blicken
Unser erstes Ziel: McDonald's. Doch schon die ersten Schritte bereiten mir Probleme. Ich sehe durch das stoffige Gitter vor meinen Augen die eigenen Füsse nicht. Als ich weiter vorne eine kleine Treppe erblicke, muss ich dort angekommen mit einer Hand den Gesichtsschleier nach unten ziehen und den Kopf nach vorne beugen, um zu sehen, wohin ich trete. Erste Schwierigkeitsstufe überstanden!
Schon folgt das nächste Hindernis. Die vielen Menschen, die beim Fast-Food-Giganten stehen und mich mit ihren Blicken sofort erfassen. Ich merke: Sie tuscheln über mich. Die Situation ist mir unangenehm. Auch mein Schein-Ehemann, der knapp einen Meter vor mir geht, wird von den kritischen Blicken nicht verschont.
Mühsames Mittagessen mit Burka
Mit einem mulmigen Gefühl und ohne böse Worte können wir nun bestellen. Ich Pommes, er Burger. Zurück, also wieder vorbei an den bösen Blicken, suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen zum Essen. Doch dies ist gar nicht so einfach. Ich muss mir die Pommes einzeln unter der Burka hindurch in den Mund schieben. Es sind gefühlte 200 Stück. Das Wassertrinken geht mit dem Gewand dagegen um einiges leichter.
Dann brechen wir auf. Nach einem kurzen Abstecher auf den Parkplatz des Gäupark-Einkaufszentrums, wo ich auch nur starre Blicke erntete, gehts anschliessend nach Olten SO. Dort angekommen, flanieren wir durch die Gassen. Wird mich hier jemand ansprechen, beleidigen oder gar attackieren?
«He, ausziehen!»
Ich merke sofort, ich bin nicht mehr auf dem Land, sondern in einer Stadt. Es hat mehr Leute, hier ist die Anonymität also grösser, und die Menschen sind mutiger. Sie ziehen mich mit ihren Blicken beinahe aus, als würden sie mir am liebsten die Burka vom Kopf reissen. Dann höre ich eine männliche Stimme. Sie ruft mir an einer Kreuzung im Zentrum nach: «He, ausziehen!»
Ich drehe mich irritiert um und sehe einen älteren Mann, wie er seine Hände verwirft. Ich sage nichts und folge meinem «Ehemann» weiter über den Fussgängerstreifen. Kurz darauf muss neben uns ein Auto wegen einer Ampel anhalten. Als der Fahrer mich sieht, lässt er das Beifahrerfenster runter und sagt wütend: «Das ist doch bireweich!» Dieses Mal bin ich es mir schon gewohnt. Wieder sage ich nichts und gehe weiter.
«Immerhin wurden wir nicht angegriffen»
Wir kehren um und gehen nochmals ins Zentrum. In der Nähe der Stadtkirche spricht ein Mann in einer Gruppe plötzlich lauter. Ich höre, wie er sagt: «Das ist zum Auf-den-Boden-Spucken!» Nicht mal eine Sekunde vergeht, folgt der zweite Spruch: «Meine Vorhänge daheim sind schöner.» Ich schaue ihn zwar an, aber gehe wiederum wortlos weiter. Plötzlich sehe ich auch wieder unseren Kameramann im Augenwinkel, den ich beinahe schon vergessen hatte.
Auch mein «Ehemann» bleibt die ganze Zeit ruhig. Kurz darauf sprechen wir über das Erlebte. Wir reden darüber, was so ein Gewand alles ausmacht. Ich sage zu ihm: «Die Blicke schmerzen am meisten. Aber immerhin wurden wir nicht angegriffen. Dies war meine grösste Sorge.»
Wieder zu Hause und die Burka abgelegt, komme ich zum Schluss: Ich bin lieber eine freie junge Frau als eine Burka-Trägerin, die nicht nur durch ihr Gewand stark eingeschränkt ist.
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