Verhüllungsverbot betrifft nicht nur Musliminnen
Hat die SVP ihr eigenes Maskottchen verboten?

Das Verhüllungsverbot betrifft längst nicht nur Burka- und Nikabträgerinnen. BLICK zeigt, wer sich künftig sonst noch vor einer Busse fürchten muss.
Publiziert: 08.03.2021 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2021 um 20:25 Uhr
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SVP-Nationalrat Walter Wobmann freut sich: Seine Burka-Initiative ist angenommen worden.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Mit dem Ja zur Burka-Initiative hat die Schweiz nicht nur Burka und Nikab verboten. Auch andere Formen der Gesichtsverhüllung werden bald nicht mehr erlaubt sein.

Doch was ist künftig noch legal – und wann droht eine Busse? Für die Umsetzung des Verbots und auch für dessen Präzisierung sind aus Sicht des Bundesrats nun die Kantone verantwortlich. Auch wenn sich diese nun dagegen wehren: Die Regierung hatte schon in ihrer Botschaft 2019 klargemacht, dass sie im Falle einer Annahme für den Erlass von Ausführungsgesetzen zuständig sein werden.

Kantone in der Bredouille

Es soll also nicht nur ein, sondern 26 Umsetzungsgesetze geben. Der Bund kann jetzt keine Vorschriften mehr machen, doch viel Spielraum haben die Kantone bei ihren Gesetzen dennoch nicht. Die Initiative zählt abschliessend auf, wann Ausnahmen gemacht werden dürfen: aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des «einheimischen Brauchtums».

Diese Aufzählung bringt die Kantone in eine Zwickmühle. Entweder setzen sie die Verfassung buchstabengetreu um und verbieten damit viele Dinge, die eigentlich niemand verboten haben will. Oder aber sie setzen die Initiative mit Augenmass um, begehen aber streng genommen Verfassungsbruch.

Obwohl den Kantone dieser Entscheid erst noch bevorsteht: Eine erste Einschätzung, was künftig sicher noch geht, was verboten und was zum rechtlichen Graubereich wird, ist bereits jetzt in Grundzügen möglich:

  • Fasnacht und Halloween: Für die Fasnacht haben die Initianten bewusst eine Ausnahme vorgesehen. Dass sie unter «einheimisches Brauchtum» fällt, ist unbestritten. Anders sieht es bei Halloween aus. Historisch gesehen handle es sich dabei sicher nicht um einen einheimischen Brauch, hält das Bundesamt für Justiz in einem Kurzgutachten fest. Aus seiner Sicht besteht hier aber Spielraum für die Kantone.
  • Schal im Winter: Um sich vor der Kälte zu schützen, darf man sich auch weiterhin den Schal bis tief ins Gesicht ziehen. Das fällt unter die Ausnahme der «klimatischen Bedingungen».
  • Werbe-, Sport- und andere Maskottchen: Ein Globi-Kostüm, Maskottchen von Fussballklubs oder Marken sind laut den Juristen des Bundes künftig ganz klar verboten. Die SVP darf also auch nicht mehr mit ihrem eigenen Maskottchen, dem SVP-Sünneli, auftreten.
  • Strassenkünstler: Hier ist die rechtliche Situation unklar. Bei regelmässig stattfindenden Strassenkunst-Festivals könne eventuell die Ausnahme des «einheimischen Brauchtums» gelten, glaubt das Bundesamt für Justiz. Künstler, die einzeln auftreten, dürfen aber wahrscheinlich bald keine Maske mehr tragen.
  • Sonstige Verkleidung: Streng genommen dürften sich Kinder ausserhalb der Fasnacht draussen nicht mehr mit einer Maske verkleiden, zum Beispiel auch nicht an einem Kindergeburtstag im Wald. Hier dürften die Kantone aber ein Auge zudrücken. Im Sinne einer «vernünftigen Auslegung» könne man Verkleidungen zulassen, weil es sich um eine «Alltagstradition» handle, argumentieren die Juristen des Bundes.
  • Demonstranten und Hooligans: Die Vermummung an Demonstrationen oder zum Beispiel auch im Fussball- oder Eishockeystadion ist heute bereits in 17 Kantonen verboten. Künftig gilt das Verbot schweizweit. Schwierig werden dürfte für die Polizei aber dessen Umsetzung. Sie werden sich zum Beispiel die Frage stellen müssen, ab wann ein Gesicht als verhüllt gilt.
  • Hygienemaske: Während einer Pandemie wie jetzt bleibt das Tragen einer Hygiene- oder Atemschutzmaske erlaubt. Und auch ausserhalb solcher Ausnahmesituationen riskiert man keine Busse, wenn man beispielsweise im Zug eine Atemschutzmaske anzieht. Dies falle wohl unter die Ausnahme für die Gesundheit, so das Bundesamt für Justiz. Für Hooligans und Demonstranten, aber auch für die wenigen Nikabträgerinnen im Land, bietet diese Ausnahme ein Schlupfloch. Denn die Polizei kann von Maskenträgern ja kein Arztzeugnis verlangen – auch deshalb nicht, weil die Maske eben genau zum eigenen Schutz getragen werden kann.

Die Kantone haben nun zwei Jahre Zeit, in einem Gesetz die Ausnahmen zu präzisieren. Schon jetzt ist aber absehbar: Das letzte Wort bei der Auslegung der Initiative werden die Gerichte haben.

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