Die Umfragen lagen richtig – und trotzdem ist das Schweizer Stimmvolk immer wieder für Überraschungen gut. Wie erwartet ist die E-ID abgelehnt worden – aber weit wuchtiger als gedacht. Knapper als vorausgesehen hingegen wurde es sowohl beim Ja zur Burka-Initiative wie auch beim Ja zum Freihandelsabkommen mit Indonesien.
Was sagen die Parteichefs dazu? Jonas Projer (39), Chefredaktor von Blick TV, hat ihnen auf den Zahn gefühlt. Coronabedingt findet die «Elefantenrunde» unter freiem Himmel auf der Bundesterrasse statt. Mit dabei sind FDP-Chefin Petra Gössi (45), SVP-Präsident Marco Chiesa (46), der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (35) wie auch Grünen-Chef Balthasar Glättli.
Bei der E-ID ist nun der Staat gefragt – und die Gegner
Zu reden gibt vorab die E-ID. Das Nein hatte sich abgezeichnet. Von einer «schallenden Ohrfeige», wie Projer es ausdrückt, will FDP-Präsidentin Petra Gössi aber nichts wissen. «Ich glaube, das zeigt ein Misstrauen gegen die grossen IT-Techfirmen – und Vertrauen in die Verwaltung.» Gerade wenn es um Datensicherheit gehe, wolle das Volk, dass der Staat mitarbeite.
Ganz ähnlich sieht es letztlich auch Balthasar Glättli von den Grünen. «Es ist ein Votum, dass der Staat sich nicht kleiner machen soll, als er ist», sagt er. Denn die Verwaltung sei durchaus fähig, eine E-ID ohne Hilfe der Privaten auf die Beine zu stellen. Einig sind sich die Parteichefs in einem: Jetzt ist es an den Gegnern, bei der Entwicklung einer staatlichen E-ID mitzuarbeiten.
Knappes Ja, eindeutige Interpretation
Überraschend knapp ist das Ja zum Freihandelsabkommen mit Indonesien. Für SP-Co-Präsident Wermuth ist damit klar: Künftige Abkommen müssen nun ebenfalls Klauseln punkto Nachhaltigkeit beinhalten. Grünen-Chef Balthasar Glättli will nun auch den Bundesrat in die Pflicht nehmen. «Der Bundesrat hat versprochen, dass das nicht auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern geht – das werden wir auch analysieren.»
Auch die Burka-Initiative ist knapp angenommen worden – erstaunlich knapp. «Es ist gekommen, wie ich erwartet habe», sagt SVP-Präsident Marco Chiesa, sichtlich zufrieden. «Das Argument der Frauenrechte haben Sie hier aber vergessen», kontert Projer – und hakt nach, welche Burka-Trägerin denn nun dank dem Verbot besser dastehe. «Wir müssen vorausschauen», so der Tessiner Ständerat. Es gelte zu verhindern, dass die Burka häufiger werde.
Den Entscheid müsse man akzeptieren, sagt Wermuth, Gegner der Initiative. «Sie wird ohnehin erst einmal überhaupt nichts bringen – ausser der Diskriminierung einzelner Frauen», sagt er. Wenn es den Bürgerlichen aber um Frauenrechte gegangen sei, dann müsse es künftig darum gehen, diese zu stärken – also das Sexualstrafrecht ausbauen oder Frauenhäuser zu finanzieren. «Wir nehmen die SVP hier gerne beim Wort.» (gbl)