Nein, solche Bilder wollte man der Welt wirklich nicht zumuten. Wie sie sich von den billigen Plätzen nach vorne drängelten, all die durchgeschwitzten Hemden und zerflossene Schminke ... Und natürlich das wüste Gefluche, wenn ein Kollege dem anderen vor die Linse latschte.
Manege frei für den Medienzirkus! Mehr als tausend Journalisten aus mehr als 40 Ländern waren diese Woche für das Biden-Putin-Treffen nach Genf gereist. Sie lieferten der Welt die pittoresken Eindrücke aus der Schweiz, von denen man sich hierzulande so viel verspricht: Biden und Putins Händeschütteln vor der Villa La Grange, präsidiale Pokerfaces vor der Bücherwand, die schönen Reden mit dem Lac Léman im Hintergrund.
Medien aus der ganzen Welt
Was die Welt nicht sah, war dieses Zelt gegenüber der Villa, heiss und stickig, eine Vorhölle der Weltöffentlichkeit. Denn wie es sich für jeden anständigen Zirkus gehört, gastierte die internationale Medientruppe in einem Zelt und berichtete von hier in die Heimat. Wer dieser Vorstellung beiwohnte, versteht den Gang der Welt vielleicht ein wenig besser.
Es ist Mittag, über 30 Grad heiss, die Luft steht – Putin ist soeben in Genf gelandet, bald rauscht er mit seinem Tross an. Aufgereiht wie an einem Schiessstand lauern Filmteams und Korrespondenten auf den Einsatz, ihre Position spiegelt die Hackordnung der Sender.
Zuvorderst thront der Mann von Al Dschasira. Unter den internationalen Stationen ist der Sender aus Katar der Emporkömmling der letzten Jahrzehnte.
Der Al-Dschasira-Mann steht tatsächlich auch noch auf einer Kiste. Wie er da so turnt und fuchtelt, denkt man an sein Heimatland, das sich auf der internationalen Bühne auch gerne aufplustert. Es folgen – mit 1-a-Sicht auf den Schauplatz – die Deutschen von ARD und ZDF, ein paar private Stationen wie Bloomberg oder Sky und die Leute von Eurovision.
Dann die Heerschar des Schweizer Fernsehens, das seinen Heimvorteil ausspielt und sich auf der grossen Bühne für einmal so richtig breitmacht. Die Briten von der BBC haben die Villa gerade noch im Blickfeld, die Sicht schon leicht von Baumwipfeln angeknabbert. Die Italiener müssen sich mit halben Sachen begnügen. Der Rest schaut buchstäblich in die Büsche.
Wer lässt wen länger warten?
Irgendwo weiter hinten, noch hinter dem Moderator aus Norwegen, dem das Hemd bereits am Körper klebt und dem die Schweizer TV-Kollegen im ungünstigsten Moment die unmöglichsten Fragen stellen werden – «Warum sind Sie hier?» –, also gaaanz hinten, steht der Mann von Al Hurra, einem arabischsprachigen Sender aus den USA.
Sein Platz ist lausig, dafür verfügt der Herr offenkundig über strategische Finesse. Jetzt sei Taktik gefragt, erklärt er: «Welcher Präsident lässt den anderen länger warten?» Das sei jetzt wie beim Schach, meint er.
Irgendwann raunt einer, Putin sei gleich da. Keiner weiss so genau, ob das stimmt. Tatsächlich wissen die schlauen Damen und Herren vor ihren Kameras oft weniger Bescheid als der Zuschauer daheim. Wer zu nah dran ist, dem bleibt halt bloss die Froschperspektive.
Schweiss, Ellenbogen und verlaufene Schminke
Dann rollt Putin wirklich an. Ellenbogen werden ausgefahren, jeder hält drauf, koste es, was es wolle – alle brauchen ihre Bilder. Als der Konvoi vorbeirollt, ist es hier erstaunlich still. Das Ganze wiederholt sich bei Biden.
Dann ist der Spuk vorbei. Auf den billigen Plätzen muss nun der Frust raus. «Ich habe dich gewarnt, aber du konntest dich nicht beherrschen», schimpft der norwegische Kameramann mit seinem Nachbarn, der ihm ins Bild schwenkte und die Einstellung versaute. Kurz sieht es so aus, als ob die Herren handgreiflich werden würden. Derweil ist die Dame von Bloomberg höchst unzufrieden mit ihren Haaren. Und schwitzt. Wie jeder und jede hier.
Aber so geht es nun mal zu hinter den Kulissen. Die Stars in der Manege bekommen davon nicht viel mit. Die Wolf Blitzers von CNN und wie sie alle heissen, die Aushängeschilder der Weltpresse, haben sich nicht unters mediale Fussvolk gemischt, sondern fahren im Präsidententross mit. Auch die Russen rollten elegant an den Kollegen vorbei, flugs vor und in die Villa.
Dort wird nun hinter verschlossenen Türen verhandelt. Pause im Pressezelt, die Sandwiches werden rausgeholt, Journalistinnen und Journalisten sammeln sich vor den Wasserspendern wie Dromedare in der Oasenstadt Timbuktu.
Die Deutschen indes sitzen bei unbeschreiblicher Hitze stoisch draussen unter den Sonnenschirmen und ordern Wasser oder Saft.
Alkohol wird kaum konsumiert, der afrikanische Korrespondent genehmigt sich ein Bier. Später wird er im Zelt die Bildschirme mit den Livebildern abfilmen, weil es sonst nichts zu drehen gibt.
Endlich fertig mit dem Medien-Halligalli
Die chinesischen Kameramänner sitzen im Schatten grosser Platanen. Die Bloomberg-Frau hat ihre Schuhe ausgezogen. Andere Damen fächeln sich Luft zu.
Nur der Herr von Al Hurra moderiert auch in der Pause weiter. Zwar passiert nichts, aber er muss jetzt dranbleiben. Es sieht anstrengend aus. Vielleicht gibt es Einsätze, die ältere Korrespondenten mit weiter Anreise besser nicht annehmen sollten. Aber möglicherweise können sie sich ihre Einsätze nicht wirklich aussuchen.
Es naht das Finale, die Ansprachen der Präsidenten, die Stunde der schreibenden Zunft. Je später der Tag, desto perfekter verschmelzen die Schreiber an ihren Pulten mit der Umgebung. Kleider und Frisuren sind irgendwann so chaotisch wie der Kabelsalat, in dem die Journalisten arbeiten. Manches Mienenspiel wirkt nicht weniger derangiert.
Die TV-Leute sind jetzt entspannt, sie haben ihre Bilder im Kasten, die Disziplin lässt nach. Manche dösen, die Ukrainer checken ihre Aktien auf dem Handy.
Nur die Deutschen reissen sich am Riemen. Nur Chinesen können es halbwegs mit ihnen aufnehmen. Deren Moderator sieht noch immer aus wie aus dem Ei gepellt.
Draussen rauscht Putin vorbei, heim nach Moskau. Kaum einer nimmt Notiz, die Abreise interessiert niemanden mehr. Die Vorstellung ist gelaufen. Bald zieht die Medienkarawane weiter.
Mehr zum Biden-Putin-Gipfel
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.