«Der Mord hat im Dorf einen Schock ausgelöst»
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Blick-Reporterin Luisa Ita:«Der Mord hat im Dorf einen Schock ausgelöst»

Tötungsdelikt in Interlaken BE – Profi-Boxerin soll Ehemann Thomas F. (†61) getötet haben
Jetzt wird Viviane O. (36) der Prozess gemacht

Der Tod von Thomas F. (†61) stürzte Interlaken BE in tiefe Trauer: Der Kult-Wirt wurde im Oktober 2020 ermordet aufgefunden. Drei Wochen später wurde seine Frau verhaftet: Die berühmte Boxerin Viviane O. Ab Montag muss sie sich nun wegen Mordes vor Gericht verantworten.
Publiziert: 04.12.2022 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2022 um 08:23 Uhr
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Seit Ostern 2023 ist die Beiz des ermordeten Thomas F. nun wieder offen: Stefan Bachofner ist der neue Pächter.
Foto: Luisa Ita
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Luisa ItaRedaktorin «Food»

Dutzende Kerzen brannten am 19. Oktober 2020 vor dem Restaurant Des Alpes in Interlaken BE, das Thomas F.** (†61) geführt hatte. Die Leute legten Blumen nieder und verharrten vor den geschlossenen Türen des Lokals. Der Kult-Wirt war an besagtem Tag tot in seiner Wohnung aufgefunden worden: Brutal ermordet!

Schon früh munkelte man im Dorf, dass seine Gattin Viviane O. (36) etwas mit dem Tötungsdelikt zu tun haben könnte. Exakt drei Wochen nach dem Delikt, am 9. November 2020, klickten schliesslich die Handschellen und die Latina wurde verhaftet. Seither sitzt sie in U-Haft – unschuldig, wie sie selbst sagt. Am Abend der Tat sei sie daheim in Oberried BE gewesen. Doch nun muss sie sich am 5. Dezember vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE wegen Mordes verantworten.

Sieben Indizien belasten Viviane O.

Die Box-Brasilianerin forderte sogar schon die Entlassung aus dem Knast – doch das Berner Obergericht hat sie abblitzen lassen und begründete, es bestehe ein dringender Tatverdacht. Ausserdem gehe man von Fluchtgefahr aus. Sieben Indizien würden dafür sprechen, dass Viviane O. gemordet habe. Beispielsweise seien auf den Schuhen der Beschuldigten winzige Blutspritzer von Thomas F. gefunden worden, ausserdem habe ein Automechaniker am Abend der Tat ihr Auto auf der Strasse gesichtet.

Ausserdem soll die Eingangstüre keine Einbruchsspuren aufgewiesen haben – und der Box-Star habe zum Zeitpunkt noch über einen Wohnungsschlüssel verfügt. Und: Das Mobiltelefon des Beizers sei bei der Tat zerstört worden, daran habe man die DNA-Spuren seiner Ehefrau feststellen können. Ein weiterer Hinweis auf ein Beziehungsdelikt: Der Ehering des Opfers sei am Boden neben der Leiche aufgefunden worden.

Sohn berichtet von Streit

Das Paar, welches erst im Januar 2020 geheiratet hatte, lebte zum Zeitpunkt der Tat getrennt. Wie Blick aus dem Umfeld der Beschuldigten kurz nach der Tat erfahren hatte, war Viviane O. aufgrund eines Streits aus der gemeinsamen Wohnung in Interlaken ausgezogen und habe mit dem Sohn aus einer früheren Beziehung seither in Oberried gelebt. Dem Gericht soll der damals 9-Jährige auch von einem Streit in den Herbstferien berichtet haben, seither sei seine Mutter von ihrem Mann mehr oder weniger ignoriert worden.

Viviane O. selbst sagte jedoch aus, dass jene Ferien «so schön und so einfach» waren. Sie macht geltend, jemand wolle ihr bewusst die Schuld für den Mord in die Schuhe schieben. Doch die Richter kamen beim Entscheid über eine mögliche Haftentlassung zum Schluss, dass «ihre Täterschaft klar wahrscheinlicher ist, als die eines bislang unbekannten Dritten».

Viviane O. (34) darf nicht aus der U-Haft
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«Wir sprechen hier von einer Übertötung»

Der ehemalige Kriminalkommissär Markus Melzl (70) ordnet den Fall für Blick ein. «Wir sprechen beim Tötungsdelikt in Interlaken von einer Übertötung», so der Experte. Also dass der Angreifer mehr Gewalt angewendet habe, als eigentlich nötig gewesen wäre, um sein Opfer zu töten. «Das zeigt, dass der Täter wahnsinnig in Rage war und viele Emotionen im Spiel waren.» Der Baselballschläger als Waffe weise ebenfalls darauf hin, dass der Killer hochemotional gewesen sei: «Man ist seinem Opfer mit einem Baseballschläger sehr nah. Viel näher, als wenn man beispielsweise eine Schusswaffe verwendet. Das bedeutet emotional einiges.»

Dass Viviane O. die Tat abstreitet, mache die Ermittlungen natürlich schwieriger. Melzl geht klar davon aus, dass die Kriminalisten mit grösster Sorgfalt vorgegangen sind und die Mutter eines Sohnes nicht einfach mangels anderer möglicher Täter hinter Gitter gesteckt haben: «Die Behörden werden sich die Frage natürlich gestellt haben, ob eine andere Täterschaft infrage kommt. Die zuständige Staatsanwaltschaft ist nun aber offenbar zum Schluss gekommen, dass Viviane O. unter einem dringenden Tatverdacht steht.»

Schuldig oder nicht?

Gerade wenn die beschuldigte Person alle Schuld von sich weise, müssten die Ermittler sehr akkurat arbeiten: «Die Strafprozessordnung sieht nämlich vor, dass man nicht nur nach belastenden Indizien ermittelt, sondern auch nach entlastenden.»

Der Gerichtsprozess beginnt am Montag und dauert bis am Mittwoch an, das Urteil wird voraussichtlich am Freitagnachmittag verkündet. Bis dieses rechtskräftig ist, gilt für die verhaftete Kampfsportlerin die Unschuldsvermutung. Ihr Anwalt wollte auf Anfrage von Blick nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

* Name bekannt
** Name geändert

Viviane O. (34) darf nicht aus der U-Haft
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