«Ich glaube, es hatte mit falschen Ideologien zu tun»
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Ex-Häftling zu seiner Kindheit:«Ich glaube, es hatte mit falschen Ideologien zu tun»

So erklärt sich der Berner John Limoni seine kriminelle Karriere als Vollstrecker im Drogen-Milieu
«Meine Eltern haben mich nicht erzogen und in der Schule gab es Rassisten»

Als Kind wollte John Limoni (33) Polizist werden, stattdessen wurde er kriminell und machte in der Drogenszene Karriere. Er landete schliesslich im Gefängnis. Jetzt will sich der Berner mit albanischen Wurzeln ans Gesetz halten – weil er Vater geworden ist.
Publiziert: 26.01.2024 um 00:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2024 um 14:00 Uhr
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John Limoni (33) aus Schönbühl BE wollte als Kind Polizist werden. Doch stattdessen wurde er kriminell.
Foto: Philippe Rossier

Er hat Leute in Angst und Schrecken versetzt, sie verprügelt und ausgenommen sowie mit Drogen gedealt. Zuerst, um als Jugendlicher «cool und gefährlich» zu wirken, später unter anderem im Auftrag von Drogendealern. John Limoni (33) aus Münchenbuchsee BE war «jahrelang ein schlechter Mensch, der mit dem Teufel Hand in Hand gegangen ist», wie er zu Blick sagt. Seine Erklärung: «Es war die fehlende Perspektive, die mich in dieses Leben drängte.»

Der selbsternannte «Albaner mit Schweizer Flair» erklärt: «Ich hab wirklich Scheisse gebaut. Ich bereue zwar nichts, stolz bin ich aber nicht darauf.»

Schwierige Kindheit

Aufgewachsen ist Limoni in einer «kleinen Sozialwohnung in einem heruntergekommenen Bauernhaus» in Schönbühl BE, als zweitjüngstes Kind einer siebenköpfigen Familie. Der Vater: Alleinverdiener – und darum mehrheitlich abwesend. «Trotzdem reichte das Geld kaum aus, um über die Runden zu kommen», sagt Limoni. Die Mutter sei mit der Gesamtsituation überfordert gewesen. Auch in der Schule fand er kaum Anschluss.

Limoni: «Meine Eltern haben mich nicht erzogen und in der Schule gab es Rassisten.» Der Berner mit albanischen und italienischen Wurzeln spricht damit das rassistische Verhalten von Lehrpersonen gegenüber ausländischen Kindern an. «Zudem gaben sich die Lehrer keine Mühe, verhaltensauffällige Kinder wie mich in der Klasse zu integrieren. Dabei war ich nicht dumm», sagt Limoni, der gerade gemeinsam mit Geschäftspartnern ein Computerprogramm entwickeln will.

Statt Polizist Krimineller geworden

Als Kind wollte Limoni Polizist oder Arzt werden, anderen Menschen helfen. Doch er verlor sich früh: «Ich hatte keine Bezugsperson, niemandem zum Reden, dafür viele Schwierigkeiten und Kontakte in die dunkle Seite», erklärt Limoni.

Sein Freundeskreis? «Genauso schlimm dran, wie ich», sagt er. «Deshalb haben wir uns unseren Respekt auf der Strasse geholt.» Das Ansehen als angehender Krimineller sei alles gewesen. «Wir terrorisierten andere – zuerst unsere Mitschüler. Wir bedrohten und verprügelten sie.»

Das erste Mal Gefängnis

Der unbelehrbare Jugendliche flog während der siebten Klasse aus der Schule in Schönbühl und musste nach Bern wechseln.

Doch statt zur Ruhe zu kommen, drehte er weiter auf – auch, weil ihm dort «härtere Typen» begegneten, zu denen er aufschaute. Limoni begann, Autos aufzubrechen und damit herumzufahren. Für mehrere Straftatbestände – wie Körperverletzung und Entwendung von Fahrzeugen – kassierte er im Alter von 15 Jahren eine Jugendstrafe und muss das erste Mal ins Jugendgefängnis.

Rund drei Monate später wurde er entlassen, danach gab es keinen Halt mehr: Limoni begann mit 16 zu kiffen, mit 18 konsumierte er Kokain und wurde drogensüchtig. Statt sich um eine Lehre zu bemühen, spezialisierte er sich auf die Beschaffungskriminalität: «Es war der einfachste Weg. Auch, weil wir allergisch aufs richtige Arbeiten waren.»

Karriere als Handlanger

Auf der dunklen Seite machte Limoni Karriere: «Ich war der Mann fürs Grobe, man hat mich in der Szene respektiert.» Um Drogenhändlern einen Gefallen zu machen, habe er auch als Vollstrecker gewirkt. «Beispielsweise stellte ich Drogendealern Fallen und liess sie ausnehmen. Und wenn jemand aussteigen wollte, ging ich vorbei und schüchterte die Person so lange ein, bis sie blieb oder schwieg.»

Das Problem: Sein Strafregister wuchs, sein Wirken brachte ihn im Alter von 24 Jahren wieder ins Gefängnis. Doch auch nach seiner Entlassung aus dem Regionalgefängnis Bern nach rund sechs Monaten hielt Limoni die Füsse nicht still – bis er vor drei Jahren zum ersten Mal Vater wurde. «Ich begriff, dass ich mich ändern muss.» Limoni ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt.

Die «letzte Ausfahrt» nahm Limoni, als er im Jahr 2022 einen Schicksalsschlag erlitt: Durch einen Treppensturz verlor er seine Ex-Freundin – zwei Tage vor dem Geburtstag seines Sohnes. Limoni stieg aus dem «giftigen Business» aus und entschuldigte sich bei seinen Opfern.

Aufklärungsarbeit in Shows

Nun will er andere vor dem gleichen Lebensweg bewahren – vor allem seinen Sohn. Limoni hat seine kriminelle Vergangenheit in albanischen Shows thematisiert. Seine Message: «Im ersten Moment erscheint dieser Weg einfach, aber es ist ein Pakt mit dem Teufel, der euch und eure Familien zerstört.»

Das Erlebte hat der angehende Schauspieler und Regisseur in einen Film verpackt, der diesen Sommer in den kosovarischen Kinos erscheinen soll und «hoffentlich bald auch in der Schweiz laufen wird». Limoni: «Mein Strafregister-Auszug ist Teil meines Drehbuchs.» Darauf gelistet sind etwa Körperverletzung, Entwendung eines Fahrzeuges und Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz. Limoni: «Und das ist nur der Teil, für den ich erwischt und verurteilt worden bin.»

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