Das Telefon in den Carrosseriewerken in Nidau BE klingelt ununterbrochen: Kundenberater Marcel Trösch (57) eilt im Laufschritt von Kunde zu Kunde, Zeit zum Verschnaufen hat er keine. «Es ist extrem. Wir werden überrannt, da wir auch Partner von fast allen Versicherungen sind. Ich habe alleine heute bestimmt schon 30 Autos mit Hagelschaden begutachtet», meint er. «Die Autos sehen schlimm aus. Es ist alles kaputt. Bei manchen sind die Scheiben eingeschlagen, bei anderen ist die Carrosserie an allen Seiten beschädigt.»
Tatsächlich stehen in der Werkstatt die Autos dicht gedrängt. Die Hagelzüge, die das Seeland sowie die Region zwischen Bern und Thun BE am Montagabend heimgesucht hatten, haben ganze Arbeit geleistet. Die Angestellten wuseln um die parkierten Vehikel herum, lautes Hämmern ist zu hören. Trösch führt durch das hektische Treiben und erzählt im Vorbeigehen: «Dieses Auto hier hat zwar keinen Hagel abbekommen, dafür einen Sturmschaden. Ein Baum ist darauf gefallen.» Er zeigt auf die abgebrochenen Teile am Heck des Fahrzeuges und eilt weiter.
Extrem aufwendige Reparaturarbeiten
Bei einem Arbeiter, der am Dach eines betroffenen Wagens arbeitet, macht der Kundenberater schliesslich Halt und erklärt: «Das ist einer der Experten aus Italien, der sich jetzt ausschliesslich um die Hagelschäden kümmert. Wir haben auch selbst Leute, die sich um solche Schäden kümmern könnten - aber bei so einem Ereignis können wir die anfallenden Arbeiten selbst nicht bewältigen.» Die Reparatur eines Hagelschadens dauere fünf bis zehn Tage, da jede noch so kleine Beule einzeln behandelt werden müsse: «Das ist wirklich extrem aufwendig.»
Genau dies wird jetzt wohl Kenan Abdulamiti (49) aus Täuffelen BE zum Verhängnis – denn eigentlich möchte er noch vor Mitte Juli mit seinem schnittigen BMW in die Ferien fahren. Doch der knallblaue Sportwagen sei draussen gestanden, als das Unwetter aufgezogen sei und hat nun lauter kleine Dellen. Mit diesem Schaden wolle er sich in der Heimat nicht blicken lassen – auf einen Ersatzwagen ausweichen, das kommt für ihn ebenfalls nicht in Frage: «Ich habe noch nie in meinem Leben ein schlechtes Auto gehabt, ich hatte immer schöne Autos. Eine andere Marke als BMW, Mercedes oder Audi möchte ich nicht fahren.»
Herz von BMW-Besitzer blutet nach Hagelschaden
Wehmütig erzählt er, was am Montagabend genau passiert ist: «Vor dem Fussballspiel wurde der Himmel richtig dunkel und es hat plötzlich begonnen zu hageln. Auf einmal sind Hagelkörner in der Grösse von Golfbällen heruntergeprasselt.» Er habe seinen Augen kaum getraut und sei direkt zum Auto geeilt, berichtet der 49-Jährige weiter: «Der Hagel hat mich richtig erwischt, der Schirm ging kaputt. Aber dann habe ich mein Auto gesehen und konnte nicht glauben, wie es ausgesehen hat. Es ist noch nicht mal ein Jahr alt!»
Er zeigt ein Einschlagloch in der Frontscheibe. «Mein Herz ist kaputt», meint Abdulamiti. Der Flitzer habe in seinem Leben eine grosse Bedeutung. Darum hoffe er jetzt auch sehr, dass die fleissigen Handwerker seinen Traumwagen möglichst rasch reparieren können. Einen Tipp hat der Berner aber noch: «Ich weiss, man kann nicht gegen die Natur kämpfen - aber man sollte so teure Autos irgendwo unterstellen. Wir werden jetzt wohl eine Garage bauen.»