Als Martin Z.* Mitte 20 ist, sterben seine Eltern – kurz nacheinander. Mit deren Tod erbt der gebürtige Fricktaler fast eine Million Franken Schulden der Einzelfirma des Vaters. Eine gut gemeinte Tat wurde Z. dabei zum Verhängnis – das war 2010.
Seither lebt Z. über ein Jahrzehnt mit dem Existenzminimum. Obwohl er unverschuldet in diese Misere rutschte, macht sich Martin Z. (mittlerweile 40) dafür verantwortlich: «Ich war unwissend. Und wegen des Todes meiner Eltern trauerte und funktionierte ich einfach. Ich zahlte letzte Löhne – und war dann 800'000 Franken im Minus.»
Plötzlicher Tod der Eltern
Doch wie kam es dazu? Sein Vater besass eine Einzelfirma im Heizungs- und Sanitärbereich. 2009 und 2010 starben die Eltern von Martin Z. innert weniger Monate. Z., ein Einzelkind, bezahlte die offenen Löhne der drei Angestellten des Vaters sowie aktuelle Rechnungen von Lieferanten. Eine umsichtige Tat – mit fatalen Folgen: Damit hatte er nach Schweizer Gesetz automatisch das Erbe seiner Eltern angenommen. Mit dem Begleichen der Löhne und offenen Rechnungen hatte er sein Recht verwirkt, das Erbe auszuschlagen.
Der Familienvater erinnert sich: «Es begann damit, dass plötzlich ein Schreiben der damaligen Wohngemeinde ins Haus flatterte. Darin teilte man mir die Bestätigung des Erbvorganges mit.» Damals war Z. in der Gemeinde Mettauertal AG wohnhaft. Und wusste noch nichts von seinem finanziellen Ruin. Die Schulden kamen erst zum Vorschein, als Martin Z. sich entschloss, die Einzelfirma des Vaters per Ende Mai 2010 aufzulösen.
Dieser Entscheid führte dazu, dass Lieferanten und Behörden Schlussabrechnungen versendeten. Da realisierte Z.: «Ich bin geliefert!» Der Kontostand der Einzelfirma und sein Erspartes reichten nicht, um die Schulden zu decken.
Haus der Eltern verkauft
In den Monaten darauf flatterten weitere Rechnungen, Mahnungen und schliesslich Betreibungen rein. Er besprach mit einem Mitarbeiter des Betreibungsamts seine Situation.
Schweren Herzens verkaufte Z. anschliessend das Haus seiner Eltern an einen Freund. «Ich hatte die Hoffnung, dass ich es irgendwann zurückkaufen kann. Davon bin ich aber weit entfernt.» Mit dem Erlös tilgt er einen erheblichen Teil der Schulden.
Momente des Glücks
Lange musste er allein den Kampf gegen die finanzielle Misere führen. Doch dann lernte Z. vor acht Jahren seine Ehefrau kennen und spielte gleich beim ersten Date mit offenen Karten. Doch Melanie wich nicht von seiner Seite: Sie war bereit, mit ihm zu kämpfen.
Zusammen müssen sie seither jeden Monat viel Geld auf dem Betreibungsamt liegenlassen. Trotz aller Widrigkeiten sind sie heute stolz auf das Erreichte. Gleichzeitig schmerzt es sie, dass ihre Kinder auf vieles verzichten müssen. «Wir können keine Ausflüge machen wie etwa in den Zoo oder mit unserem Junior Zug fahren. Dabei liebt er es!», sagt Melanie. «Das Geld reicht jetzt schon fast nie bis zum 25. des Monats.»
Aufforderung zur Rückzahlung
Vergangene Weihnachten dann ein Hoffnungsschimmer: Das Betreibungsamt Emmental-Oberaargau – das nach einem Umzug neu für die Familie zuständig ist – überwies 9100 Franken an die Familie.
Melanie Z. sagt: «Wir wussten, dass wir im Jahr 2024 mit den Abzahlungen fertig sein werden, also gingen wir davon aus, dass wir es endlich geschafft haben. Endlich ein Leben ohne Schulden! Wir waren so glücklich.» Die Familie zahlte daraufhin gleich private Schulden zurück. Und sie kaufte sich Secondhand-Möbel wie etwa ein Sofa, weil sie kaum etwas besass, sowie Kleinigkeiten für das Weihnachtsfest.
Zwei Tage später dann der Schock: «Bei einem Telefonat mit dem Betreibungsamt meinte die Mitarbeiterin, das Geld sei fälschlicherweise an uns überwiesen worden», sagt Martin Z. «Und wir sollten das Geld sofort wieder zurückzahlen.» Ein Verfügungsschreiben samt Rückzahlungsaufforderung bestätigt die Falschauszahlung. Martin und Melanie sagen: «Für uns ist nach dieser Nachricht eine Welt zusammengebrochen.»
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Die beiden haben das Geld nicht. Deshalb haben sie eine Gofundme-Kampagne mit dem Titel «Wir schaffen es nicht mehr alleine» gestartet. Darin schildern sie ihre Situation. «Es ist unsere einzige Chance. Wir haben vom Betreibungsamt bis Ende Februar einen Aufschub gewährt bekommen. Dafür sind wir sehr dankbar!»
Zwar wissen beide inzwischen, dass sie auch danach voraussichtlich noch bis mindestens Ende Jahr jeden Monat mit dem Existenzminimum klarkommen müssen. Doch dies gibt ihnen auch Hoffnung: «Dann sind wir definitiv schuldenfrei.»
* Name bekannt