Eine kleine Spritze und schon purzeln die Pfunde. So hatte sich das Sarah F.* (28) aus Deutschland vorgestellt. Und flog deswegen im Februar nach Istanbul für eine Magen-Botox-Behandlung. Das berichtet die «Bild».
Dabei wird die Magenmuskulatur durch das Nervengift Botox gelähmt. Die Idee: Der Magen soll langsamer arbeiten. Patienten sind damit länger satt und verspüren weniger schnell wieder Hunger. Von der Methode erfuhr F. via Instagram und fand ein verlockendes Angebot. Versprochen wurden 15 Kilo Gewichtsverlust in drei Monaten – für 550 Euro.
Doch statt Gewicht verlor die Mutter von zwei Kindern (5 und 6 Jahre) fast ihr Leben. «Ich habe im Krankenhaus schon einen Abschiedsbrief an meine Kinder geschrieben», sagt die Deutsche zur «Bild». Das Problem: Das Nervengift blieb nicht nur im Magen, sondern lähmte weitere Stellen in ihrem Körper.
«Ich habe gedacht, ich sterbe jetzt»
Sarah F. erlitt eine Botox-Vergiftung, auch Botulismus genannt. Nach drei Tagen fingen die Beschwerden an. Sie schaffte es gerade noch so in den Flieger zurück nach Deutschland und landete kurz darauf auf der Intensivstation. Sarah F. zu «Bild»: «Das Botox lähmte mein Zwerchfell, ich musste mehrere Wochen mit einer Maske beatmet werden. Ich habe gedacht, ich sterbe jetzt.»
Sarah F. ist kein Einzelfall. In Deutschland sind insgesamt 27 Fälle bekannt, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) im März erklärte. Auch in der Schweiz gibt es zwei Fälle, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage von Blick sagt. Das BAG gibt zwar keine direkte Empfehlung, verweist aber auf das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Und dieses warnt explizit vor der Abnehmspritze in den Magen. Zu hoch ist das Risiko für Komplikationen.
Gewichtsverlust ist nur von kurzer Dauer
Schweizer Spitäler bieten diesen Eingriff gar nicht erst an. «Eine Botoxinjektion im Magen kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, wie beispielsweise starken Bauchkrämpfen und Erbrechen. Im schlimmsten Fall kann die Behandlung tödlich sein», sagt Minoa Jung, Chirurgin am Unispital in Genf, zu Blick. Denn das Nervengift lähmt bei einer Vergiftung nicht nur die Muskulatur des Magens, sondern eventuell auch die Atemmuskulatur oder das Herz.
Hinzukommt: So gross das Risiko, so gering der Effekt. Tatsächlich verlieren Patienten etwas Gewicht durch die Methode. Jung zu Blick: «Dieser Gewichtsverlust ist jedoch nur von kurzer Dauer und nicht etwa permanent, da die Wirkung wie in der ästhetischen Medizin nach vier bis fünf Monaten nachlässt.» Theoretisch wäre dann der nächste Eingriff fällig.
Anwendung im Magen ist «höchst fahrlässig»
Botox für den Magen zu verwenden, findet auch der Arzt Dan Iselin aus Zürich, unverantwortlich. «Obwohl es auch um das Erreichen eines Schönheitsideals geht, würde ich eine solche Behandlung nie durchführen», sagt er zu Blick. Er arbeitet seit Jahren mit dem Nervengift und setzt es für die Behandlung gegen Falten ein. Allerdings in kleinen Mengen und nur im Gesicht.
Jeder Arzt wisse um das Risiko von Botulismus. «Bewusst Botox in den Gastrointestinaltrakt zu spritzen, erachte ich als höchst fahrlässig.» Natürlich sei der Leidensdruck der Patientinnen und Patienten, die abnehmen möchten, stark, dennoch müsse die Gesundheit an oberster Stelle stehen. «Wenn es am Ende zu einem Todesfall kommt, relativiert sich das gesundheitliche Risiko der Fettleibigkeit.»
* Name geändert