An kaum einem anderen Ort werden Schönheit und Jugendlichkeit verehrt wie in Hollywood. Insbesondere Schauspielerinnen, die älter werden, haben Schwierigkeiten, sich in der Branche zu behaupten. Ein Phänomen, das als «Hollywood Ageism» bekannt ist. Doch wer zu krampfhaft an der Jugend festhält, erntet ebenfalls Kritik, wie das aktuelle Beispiel von Madonna (64) zeigt. Die Queen of Pop ist nach ihrem Auftritt bei den Grammy Awards heftig kritisiert worden. Grund dafür war das «geschwollene» Gesicht der Sängerin und Schauspielerin. Sie habe sich zu vielen chirurgischen Eingriffen unterzogen, sei kaum mehr wiederzuerkennen, hiess es. Madonna wehrte sich prompt und klagte die Altersdiskriminierung an. Nur um eine Woche später ihre Fans auf Twitter zu fragen: «Sehe ich nicht süss aus, jetzt, wo die Schwellung weg ist?»
Die eigentliche Frage ist vielmehr, weshalb eine Branche, die so sehr auf Aussehen und Jugendlichkeit fixiert ist, Frauen einerseits zu einer Veränderung ihres natürlichen Aussehens drängt, sie aber scharf kritisiert, wenn sie es dabei übertreiben – ein schier unmöglicher Balanceakt.
«Niemand will alt sein»
«Gerade bei einem Star, der sich im jungen Alter schon stark über das Aussehen definiert, ist die Häme umso grösser, wenn er im Alter sichtbar verzweifelt an der Jugend festhält», sagt die emeritierte Psychologie-Professorin Pasqualina Perrig-Chiello (70). «Doch diese Verzweiflung ist nicht weiter erstaunlich. In einer Gesellschaft, in der Anti-Aging ein omnipräsentes Schlagwort ist, will man zwar alt werden, aber niemand will alt sein.»
Die Zahlen geben Perrig-Chiello recht: Auch wenn ältere Frauen wie Jane Fonda (85) und Helen Mirren (77) in der Unterhaltungsbranche scheinbar sichtbarer werden, fallen sie gegenüber ihrer männlichen Kollegen immer noch deutlich ab. Laut einer aktuellen Statistik von «Women and Hollywood» besetzten 2021 in 41 Prozent der 100 erfolgreichsten Filme Frauen die Haupt- oder Nebenrolle. Doch in nur sieben Prozent spielt eine Frau im Alter von 45 Jahren oder älter die Hauptrolle. Zum Vergleich: In rund 27 Prozent der Produktionen ist ein Mann der gleichen Altersgruppe zu sehen. Das entspricht einem Geschlechterverhältnis von vier zu eins.
Offener Brief von 100 britischen Schauspielerinnen
Im Mai 2022 unterzeichneten mehr als 100 britische Schauspielerinnen und Schauspieler einen offenen Brief, in dem sie dazu aufriefen, die in der Unterhaltungsindustrie fest verankerte Altersdiskriminierung von Frauen über 45 zu beenden. Im Brief der Aktivistengruppe «Acting Your Age Campaign» heisst es, dass Frauen im Vereinigten Königreich auf der Leinwand ein «Haltbarkeitsdatum» haben, Männer jedoch «ein ganzes Leben».
Doch warum erhalten ältere Frauen kaum Rollenangebote, während Männer wie Brad Pitt (59) oder Tom Cruise (60) auch im nahenden Rentenalter die Helden in Blockbustern verkörpern?
«Das hat mit dem Double Standart of Aging zu tun, also mit der Doppelmoral des Alters», erklärt Perrig-Chiello. «Reife wird bei Männern mit positiven Eigenschaften wie Sicherheit und Lebenserfahrung assoziiert. Bei Frauen werden dieselben Attribute negativ bewertet und als Verlust der Weiblichkeit angesehen.»
28-jährige Olivia Wilde war «zu alt» für 39-jährigen DiCaprio
Dass selbst erfolgreiche Schauspielerinnen ein Haltbarkeitsdatum haben, ist in Hollywood ein offenes Geheimnis. So erklärte man Filmstar Olivia Wilde (38) 2012, sie sei «zu alt» für die Rolle der Ehefrau von Leonardo DiCaprio (49) in «Wolf of Wall Street». Wilde war damals 28, also ganze elf Jahre jünger als der damals 39-jährige DiCaprio. Die Rolle ging schliesslich an die damals 22-jährige Margot Robbie (32).
Ähnliches erlebte auch Kelly McGillis (65). Die Schauspielerin wurde in den 1980er-Jahren an der Seite von Tom Cruise in «Top Gun» zum Star. Dementsprechend waren Fans überrascht, als 2019 bekannt wurde, dass McGillis in der Fortsetzung «Top Gun: Maverick» nicht mehr zu sehen sein würde. Die Schauspielerin selbst erklärte damals in einem Interview: «Ich bin alt, ich bin fett, ich sehe meinem Alter entsprechend aus. Und das ist im Filmgeschäft nicht gern gesehen.» An McGillis' Stelle spielte dann die 13 Jahre jüngere Jennifer Connelly (52) Cruises Objekt der Begierde. Dass man männlichen Stars auch im Alter eine junge Frau zur Seite stellt, habe eine einfache Erklärung, sagt Psychologie-Professorin Perrig-Chiello: «Zu einem erfolgreichen Mann gehört eine junge Frau. Eine junge Frau ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Statussymbol, eine Trophäe.»
Gesellschaft muss Altersbilder hinterfragen
Wie lässt sich also diese Gratwanderung meistern zwischen äusserlich nicht erkennbar altern, aber dennoch nicht gemacht aussehen? Gar nicht, empfiehlt die Expertin: «Wenn eine Frau in der Lebensmitte sich immer noch über ihre äusserliche Attraktivität abgrenzt, hat sie generell verloren. Besser ist es, sich als Schauspielerin neben Sexualität und Schönheit schon früh auch über andere Werte zu definieren.»
Unsere Gesellschaft komme nicht darum herum, Altersbilder zu hinterfragen. «Wir werden schliesslich alle alt, Frauen noch älter als Männer», so Perrig-Chiello. Weshalb wir uns dringend von der negativen Voreingenommenheit gegenüber dem Thema lösen sollten. «Ich sehe da glücklicherweise eine langsame Verbesserung, da aktuell eine neue Generation von Frauen älter wird – eine, die sich gegen diese Stereotypisierungen von alten Frauen wehrt.»