Im Streit um den neuen Ärztetarif Tardoc sind die Fronten verhärtet. Am 3. Juni hat Gesundheitsminister Alain Berset (50) die letzte Version verworfen und zurück an den Absender geschickt, die der Krankenkassenverband Curafutura und die Ärztevereinigung FMH vorgelegt hatten. Womit der neue Tarif für ambulante Behandlungen – es geht um zwölf Milliarden Franken jährlich – nicht vor 2024 kommen wird.
Stein des Anstosses: Die Landesregierung befürchtet ein massives Kostenwachstum. Was die Befürworter nicht auf sich sitzen lassen. Sie rühren die Werbetrommel unerschrocken weiter.
So auch im Parlament. Der Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller (47) attackierte den Bundesrat in der Fragestunde während der eben zu Ende gegangenen Sommersession. Wie könne dieser, so giftelte der Freisinnige, von steigenden Kosten reden, wenn doch Curafutura und FMH gemäss einem gemeinsamen Communiqué eigens ein Konzept gegen Mehrkosten entwickelt hätten?
«Ungerechtfertigter» Kostenanstieg
Die bundesrätliche Antwort fiel allerdings nicht im Sinn des Fragestellers aus – im Gegenteil: Tardoc erfülle weder die statische noch die dynamische Kostenneutralität. Auf gut Deutsch: Die Experten gehen davon aus, dass Tardoc die Kosten sowohl kurz- als auch langfristig in die Höhe treiben würde. Ein Schluss, der an den vernichtenden Prüfbericht des Bundesamts für Gesundheit (BAG) erinnert (SonntagsBlick berichtete).
Und wie begründet der Bund seine beinharte Erwiderung an Nationalrat Feller? Erstens enthalte Tardoc im Gegensatz zum aktuell geltenden System Tarmed deutlich mehr Tarifpositionen, was einen – so der Bundesrat wörtlich – «ungerechtfertigten» Kostenanstieg von 123 Millionen Franken bedeuten würde. Zweitens seien etliche Tarifpositionen noch gar nicht in die Kostensimulation mit eingeflossen. Laut BAG macht dies alles «mindestens» 220 Millionen Franken aus.
Mit anderen Worten: Was die erwartete Last für die Allgemeinheit betrifft, liegen Bundesrat und Tardoc-Entwickler mehrere Hundert Millionen Franken auseinander. Die Regierung scheint die Hoffnung auf eine Kostenneutralität aufgegeben zu haben.
Derweil bläht sich das Gesundheitswesen – es soll das weltbeste sein – frisch und fröhlich weiter auf. Und mit ihm die Angst vor neuen Prämienschüben.