Das Coronavirus ist heimtückisch. Es kann sich auch ohne persönlichen Kontakt übertragen. Und zwar über die Luft, via Aerosole. Die kleinen Partikel verliert jeder Mensch beim Ausatmen, Sprechen, Singen, Lachen oder Fluchen. Infizierte geben so die Viren an die Luft ab – und hier liegt die Gefahr. Besonders in Klassenzimmern.
Für den Aerosol-Experten Michael Riediker (51) ist klar: Es muss etwas passieren! «Die Schulen müssen aufrüsten. Ich habe schon vor einem Jahr vor der Aerosol-Gefahr gewarnt. Aber nichts wurde getan. Jetzt wieder einen Winter lang durchseuchen, halte ich für keine gute Idee.» Die Leben der Lehrer und Schüler müssten geschützt werden.
Der Grund für die Besorgnis des Professors für Risikoanalyse und Direktor des Schweizerischen Zentrums für Arbeits- und Umweltgesundheit: Aerosole können stundenlang in der Luft schweben. «Die kleinen Partikel steigen nach oben und verteilen sich dann im Raum. Und so wird beispielsweise ein Klassenzimmer nach und nach mit Aerosolen eingenebelt.» Am besten könne man sich das vorstellen wie ein Zimmer voller Raucher. Da dauere es auch nicht lange, bis der Raum vollgequalmt ist. Genau so verhalte es sich mit Aerosolen.
Schutz durch Luftfilter ist kein Luxus
Damit die Partikel verschwinden, sollte man alle 15 Minuten gut durchlüften. Noch besser: Lüftungssysteme. Das findet auch Gerhard Scheuch (65). Der Physiker beschäftigt sich seit Jahren mit Aerosolen. «Je mehr Massnahmen, desto besser. Die Gesellschaft für Aerosolforschung empfiehlt, in den Schulen Filter einzusetzen. Jedes Virusteilchen, das durch Filter eliminiert wird, muss nicht eingeatmet werden», sagt der Deutsche zu Blick.
Und dieser Schutz sei kein Luxus. Man müsse nicht die teuersten Geräte kaufen. «Es gibt für umgerechnet 400 Franken schon effektive mobile Hepa-Filter, die zu 99 Prozent die Viren aus der Zimmerluft entfernen können. Zwei Filter pro Klassenraum sollten ausreichen.» Bei Hepa-Filtern werde die Luft durch eine dicke Vliesmatte geleitet. Da prallen die Aerosole gegen eine Faser und bleiben kleben. Ergebnis: «Die Partikel haben da keine Chance.»
Die Matten muss man nach ein bis zwei Jahren wechseln. Die Geräte zeigen an, wenn das getan werden muss. Der Austausch der Matte koste um die 35 Franken, erklärt Scheuch.
Viruslast im Raum ist entscheidend
Es gäbe auch Filter mit UV-Lampen. «Da werden die Viren sogar unschädlich gemacht. Das halte ich aber für überflüssig. Die Geräte sind teurer als Hepa-Filter, und im Endeffekt ist es egal, ob die Viren an einer Matte kleben oder ganz eliminiert werden. In beiden Fällen kann das Virusteilchen nicht mehr durch den Menschen eingeatmet werden. Und darum geht es ja.»
Bei der Auswahl sollte man darauf achten, dass auch genug Luftvolumen gereinigt wird, gibt Ernest Weingartner (56), Professor für Mess- und Sensortechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz, zu bedenken.
Entscheidend sei die Viruslast im Raum. Es nütze daher nichts, wenn eine Anlage für einen grossen Raum nur kleine Mengen der Luft reinigen könne. Da werde zwar der kleine Teil gut gesäubert, aber die übrigen Aerosole können sich im Raum weiter verteilen.
Luftfilter-Anlage wird in Lenzburger Schule getestet
Im Idealfall entstehe keine Durchmischung bei der Reinigung zwischen alter und neuer Luft. «Gerade experimentieren wir mit einer Anlage in einer Schule im aargauischen Lenzburg. Die Luft wird über die Decke abgesaugt, via Filter gereinigt und dann über den Boden wieder in den Raum zurückgeführt.» Damit sei garantiert, dass es zu keiner Durchmischung komme. Eine solche Anlage sei aber mit einer aufwendigen Installation verbunden.»
Aufwendig oder nicht. Die Aerosol-Experten sind sich einig: Die Schulen müssen reagieren – und zwar schnell. Um dem Corona-Gewimmel in den Klassenzimmern ein Ende zu bereiten.
Deutschland macht bei der Anschaffung von Corona-Luftfiltern vorwärts: Mitte Juli hat die Regierung beschlossen, insgesamt 200 Millionen Euro für die Anschaffung der Geräte zur Verfügung zu stellen. Bundesländer wie Bayern (50 Millionen) und Baden-Württemberg (60 Millionen Euro) hatten zuvor schon eigene Gelder gesprochen.
Rund 8000 Luftfilter stehen zum Ferienende allein in Berliner Schulen bereit – 3000 weitere Geräte sollen folgen. Da diese nur für rund die Hälfte aller Schulzimmer ausreichen, hagelt es dennoch Kritik. Allgemeiner Tenor: die Beschaffung der Luftfilter schreite viel zu langsam voran.
In Ostdeutschland bleiben Fördergelder von der öffentlichen Hand dagegen komplett aus. Offenbar ist man in Ländern wie Thüringen oder Sachsen-Anhalt nicht vom Kosten-Nutzen-Verhältnis überzeugt. Stattdessen will man auch dort an regelmässigem Lüften festhalten – und gleichzeitig auf Fortschritte bei der Impfkampagne und ein Abflachen der Pandemie hoffen.
Auch in Österreich gibt es bislang kein klares Bekenntnis zu den Filtergeräten. Zwar sind sie in den Schutzkonzepten vorgesehen, bei Finanzierungsfragen hapert es allerdings. Die österreichische Regierung hat bislang erst zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Es dürfte sich hierbei nur um einen Tropfen auf den heissen Stein handeln.
In den Planungen der Nachbarländer Frankreich und Italien spielen Luftfilter zurzeit ebenfalls noch keine wesentliche Rolle. Marco Latzer
Deutschland macht bei der Anschaffung von Corona-Luftfiltern vorwärts: Mitte Juli hat die Regierung beschlossen, insgesamt 200 Millionen Euro für die Anschaffung der Geräte zur Verfügung zu stellen. Bundesländer wie Bayern (50 Millionen) und Baden-Württemberg (60 Millionen Euro) hatten zuvor schon eigene Gelder gesprochen.
Rund 8000 Luftfilter stehen zum Ferienende allein in Berliner Schulen bereit – 3000 weitere Geräte sollen folgen. Da diese nur für rund die Hälfte aller Schulzimmer ausreichen, hagelt es dennoch Kritik. Allgemeiner Tenor: die Beschaffung der Luftfilter schreite viel zu langsam voran.
In Ostdeutschland bleiben Fördergelder von der öffentlichen Hand dagegen komplett aus. Offenbar ist man in Ländern wie Thüringen oder Sachsen-Anhalt nicht vom Kosten-Nutzen-Verhältnis überzeugt. Stattdessen will man auch dort an regelmässigem Lüften festhalten – und gleichzeitig auf Fortschritte bei der Impfkampagne und ein Abflachen der Pandemie hoffen.
Auch in Österreich gibt es bislang kein klares Bekenntnis zu den Filtergeräten. Zwar sind sie in den Schutzkonzepten vorgesehen, bei Finanzierungsfragen hapert es allerdings. Die österreichische Regierung hat bislang erst zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Es dürfte sich hierbei nur um einen Tropfen auf den heissen Stein handeln.
In den Planungen der Nachbarländer Frankreich und Italien spielen Luftfilter zurzeit ebenfalls noch keine wesentliche Rolle. Marco Latzer