Auf einen Blick
- Die Schweiz lässt Uno-Flüchtlinge warten
- Hohe Asylzahlen und fehlende Betreuungsmöglichkeiten in den Kantonen
- Bund rechnet 2024 mit 30'000 Asylanträgen und 17'500 Ukraine-Flüchtlingen
26 Mal nein: So lautet das unerbittliche Ergebnis einer Umfrage an der letzten Versammlung der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK). Die Kantone mussten angeben, ob sie freiwillig sogenannte Uno-Resettlement-Flüchtlinge aufnehmen würden – die Verletzlichsten also: traumatisierte Kinder, alleinstehende Mütter, Folteropfer mit Behinderungen.
Nach Informationen von SonntagsBlick lehnten dies sämtliche Kantone ab – obwohl die Schweiz sich verpflichtet hat, jedes Jahr einige Hundert besonders Schutzbedürftige aufzunehmen. Es wären vor allem Menschen aus Afghanistan, Jemen, Syrien oder dem Sudan. Das Uno-Hilfswerk UNHCR schlägt dem Bund konkrete Flüchtlinge vor, der wählt aus und lässt sie direkt in die Schweiz einfliegen.
Einreisestopp seit 2023
Ende 2022 jedoch liess die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter (60) die Resettlement-Einreisen vorübergehend stoppen. Grund waren die hohen Asylzahlen und die damit verbundene Belastung für die Kantone.
Rund ein halbes Jahr später fällte der Bundesrat einen Grundsatzentscheid: Das Programm wird 2024 und 2025 weitergeführt, aktiviert wird es aber erst nach Absprache mit den Kantonen und Gemeinden. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) kündigte in einer Medienmitteilung an, dass die Schweiz in diesem Zeitraum bis zu 1600 Schutzbedürftige aufnehmen könne.
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Mit dem geschlossenen Nein der Kantone an der SODK im Juni rücken neue Resettlement-Einreisen nun in weite Ferne. Den Uno-Flüchtlingen bleibt nichts ausser Warten. Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der SODK, bestätigt: Zurzeit sei kein Kanton in der Lage, zusätzlich zu den ohnehin grossen Herausforderungen im Asylbereich Uno-Flüchtlinge aufzunehmen. «Auch weil wir im Herbst und Winter wieder sehr hohe Asylgesuchzahlen erwarten», so Szöllösy und betont: «Aus Sicht der SODK und ihrer Mitglieder handelt es sich um ein gutes und sinnvolles Programm.»
Die einzelnen Kantone geben sich wortkarg. Zürich will den Entscheid nicht konkret kommentieren. Der parteilose Regierungsrat Mario Fehr (65) sagt: «Das Asylwesen ist eine Verbundaufgabe. Neben den Kantonen und Gemeinden steht damit auch der Bund in der Pflicht.» Ein Sprecher der Berner Integrationsdirektion schreibt: «Gründe für das Nein sind die grosse Belastung und die fehlenden Betreuungskapazitäten.»
2500 Betten fehlen
Tatsächlich ächzen die Kantone unter anhaltend hohen Asylzahlen. Auch der Bund sucht mit Hochdruck nach Unterbringungsplätzen. Das SEM geht davon aus, dass im Herbst bis zu 2500 Betten fehlen könnten, falls bis dahin keine neuen Plätze geschaffen werden. Generell rechnet der Bund für 2024 mit bis zu 30'000 Asylanträgen – in etwa gleich vielen wie 2023 – plus 17’500 Gesuchen von Ukrainerinnen und Ukrainern für den Schutzstatus S.
Dass mit den Resettlement-Flüchtlingen ausgerechnet die Verletzlichsten unter der angespannten Lage in den Kantonen leiden müssen, könnte auf Kritik stossen. Auch wenn sich die Uno selbst zurückhält. Das UNHCR bedauert zwar, dass die Schweiz das Programm ausgesetzt hat, schreibt auf Anfrage aber auch: «Wir haben Verständnis für die Herausforderungen der Kantone hinsichtlich der beschränkten Aufnahmekapazitäten und gehen davon aus, dass es sich um eine vorübergehende Unterbrechung handelt.» Der Schweizer Beitrag an das Programm wäre mit einigen Hundert Aufnahmen pro Jahr überschaubar, würde aber vielen Menschen ein neues Leben in Sicherheit und Würde ermöglichen.
Druck auf die Kantone ausüben könnten Asylminister Beat Jans (60) – und SEM-Chefin Christine Schraner Burgener (60). Sie gibt in diesem Jahr zwar ihr Amt als Staatssekretärin ab, das Thema dürfte sie aber weiter beschäftigen. Wie SonntagsBlick kürzlich publik machte, will sie an die Spitze des UNHCR.