Justizministerin setzt Uno-Programm aus
Keller-Sutter lässt Flüchtlinge warten

Karin Keller-Sutter bricht mit der Schweizer Tradition, verletzlichen Flüchtlingsgruppen Schutz zu gewähren. Zum zweiten Mal nach dem Balkan-Krieg setzt die Justizministerin angesichts des Kriegs in der Ukraine die Resettlements aus.
Publiziert: 18.12.2022 um 19:01 Uhr
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Die abtretende Justizministerin Karin Keller-Sutter will vorerst keine neuen Uno-Flüchtlingsgruppen mehr.
Foto: keystone-sda.ch

Die abtretende Justizministerin Karin Keller-Sutter (58, FDP) setzt die Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in der Schweiz aus. Seit 1955 hatte das Land immer wieder Flüchtlingsgruppen aus Ungarn, Tibet, Boatpeople aus Vietnam sowie Menschen aus dem früheren Jugoslawien aufgenommen. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, handelt Keller-Sutter nun so wie der Bundesrat bereits in den 90er-Jahren, als wegen des Balkan-Kriegs besonders viele Menschen aus dieser Mittelmeerregion in der Schweiz Schutz suchten.

Erst 2013, damals unter der Leitung von Justizministerin Simonetta Sommaruga (62, SP) beschloss der Gesamtbundesrat wegen der Krise in Syrien, erneut Gruppen von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen zur Neuansiedlung aufzunehmen.

Besonders Verletzliche

Er einigte sich später darauf, sich laufend am Resettlement-Programm des Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) zu beteiligen und alle zwei Jahre die Aufnahme von 1500 bis 2000 Flüchtlingen zu beschliessen. Bei diesen Schutzsuchenden wird, bevor sie ausgewählt werden, bereits sichergestellt, dass es sich tatsächlich um Flüchtlinge handelt. Es sind oft Frauen, Kinder und alte sowie kranke Menschen, die auf diesem Weg in die Schweiz und andere Länder gelangen, die beim Programm mitmachen.

Für 2022 und 2023 hatte der Bundesrat am 19. Mai 2021 die Aufnahme von weiteren 1600 Flüchtlingen beschlossen. Zudem sollten noch 220 zusätzliche Menschen in der Schweiz über das Programm Schutz finden, da wegen der Corona-Pandemie weniger Flüchtlinge als geplant über das Uno-Programm den Weg in unser Land fanden. Insgesamt sollten in diesem und im kommenden Jahr also 1820 solcher Flüchtlinge aufgenommen werden.

Sehr viele Asylsuchende

Mit dem zwischenzeitlichen Stopp der Aufnahme von besonders verletzlichen Personen folge Keller-Sutter einer Empfehlung des Sonderstabs Asyl (Sonas), den die Bundesrätin wegen der angespannten Lage im Asylwesen im Frühling eingesetzt hatte.

Die Sonas-Mitglieder trafen sich am 30. November zu einer Sitzung, an der der Entscheid laut dem Artikel der «NZZ am Sonntag» besprochen wurde. Das Protokoll der Sitzung liege dem Sonntagsblatt vor. Auch «Le Temps» hatte darüber berichtet.

Der Grund für das Moratorium liegt auf der Hand: Wegen der bislang etwa 70'000 Geflohenen aus der Ukraine, die den Schutzstatus S erhalten haben. Aber auch wegen der gleichzeitig stark ansteigenden Zahl von anderen Asylsuchenden – der Bund rechnet mit bis zu 24'000 Asylgesuchen – kommt das Schweizer Asylwesen an gewisse Grenzen.

Mehr Plätze erhalten

Aber: Dank zusätzlicher Plätze der Armee hatte sich die Lage jüngst wieder entspannt. Ende November kündigte das Staatssekretariat für Migration (SEM) unter der Leitung von Christine Schraner Burgener (59) an, den Kantonen keine Asylsuchenden mehr zuzuweisen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Da in den Asylzentren des Bundes kaum mehr Plätze vorhanden waren, machte das SEM von der Möglichkeit Gebrauch, bei Platzmangel Asylsuchende vorzeitig an die Kantone weiterzureichen. Diese Praxis hatte mit der Einführung der beschleunigten Asylverfahren eigentlich der Vergangenheit angehört.

Dass trotz der Ende November vom SEM angekündigten leichten Entspannung im Asylwesen die Resettlements ausgesetzt werden, erstaunt auf den ersten Blick. Die Unterbringungsplätze sind in den Kantonen aber noch immer knapp und das Personal vielerorts ebenfalls. Und da es sich bei Resettlement-Flüchtlingen eben um besonders verletzliche Menschen handelt, benötigen diese einen grossen Betreuungsaufwand.

800 Menschen hoffen auf EBS

Bislang habe die Schweiz 641 der vorgesehenen 1820 Resettlement-Flüchtlinge aufgenommen. Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, habe das SEM zugesichert, dass jene, die bereits fürs Programm ausgesucht wurden, noch bis Ende März 2023 einreisen können. Das seien 350 bis 400 Personen. Für die restlichen rund 800 heisse es: warten.

Ihre Hoffnung heisst jedoch Elisabeth Baume-Schneider (58, SP). Die EBS genannte, neue Justizministerin tritt ihr Amt am 1. Januar 2023 an. Sie gilt in der Migrationspolitik als offener als Keller-Sutter. Die neue Bundesrätin hat es in der Hand, die Aussetzung wieder zu beenden. (pt)

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