Die Bussen-Beispiele, die Blick gezeigt hat, sind erstaunlich: gebüsst für zu langsames Fahren, gebüsst für Velo-Selbstunfall. Auch dank dieser und weiterer Gaga-Strafen kommt am Ende des Jahres eine fette Summe zusammen.
Oder genauer gesagt: fast eine Milliarde Franken! Von Jahr zu Jahr wird der Betrag höher, der in der Schweiz durch Bussen eingenommen wird, 2019 waren es gemäss der Eidgenössischen Finanzverwaltung 936 Millionen.
Ein Teil davon wandert in die Zürcher Stadtkasse. Doch diese Beträge sind klar budgetiert im Ordnungsbussen-Budget der Stadt Zürich. Die Stadtpolizei Zürich veranschlagte im Jahr 2021 dafür 62,1 Millionen Franken. Eingenommen wurde dann knapp weniger, nämlich 59,9 Millionen. Für 2022 beläuft sich das Bussen-Budget auf 61,6 Millionen.
Bussen-Einnahme-Überschuss 2021 im Kanton St. Gallen
Stadtpolizei-Sprecher Marc Surber erklärt: «Da es sich bei den jährlichen Busseneinnahmen um einen namhaften Betrag handelt, fliesst dieser Betrag aus Gründen der Gesamtfinanzübersicht ins städtische Budget ein.»
Deutlich tiefer ist das Ordnungsbussen-Budget bei der Kantonspolizei St. Gallen. 2021 wurden 23,03 Millionen Franken definiert. Und es resultierte ein Einnahme-Überschuss von 1,83 Millionen. Das Geld aus den Bussen fliesse zweckunabhängig in die allgemeine kantonale Verwaltung, erklärt Sprecher Hanspeter Krüsi.
Noch eine Stufe darunter liegt das Ordnungsbussen-Budget der Aargauer Kantonspolizei – und zwar seit Jahren unverändert bei 5 Millionen Franken. Eingenommen wurden 2021 deren 4,73. Sprecher Bernhard Graser: «Die Ordnungsbussen-Einnahmen fliessen vollumfänglich in die Strassenkasse des Kantons.»
«Budgetbetrag der Ordnungsbussen gilt nicht als Zielwert»
Sind die Polizisten Ende Jahr besonders streng, damit das Budget erreicht wird? Muss dieses Bussen-Budget mit aller Kraft eingehalten werden? Surber von der Stadtpolizei Zürich widerspricht: «Der jährliche Budgetbetrag der Ordnungsbussen gilt nicht als Zielwert, den es zu erreichen gilt.»
Und auch sein St. Galler Berufskollege Krüsi dementiert: «Den grössten Einfluss auf das Budget hat nicht die Kantonspolizei, sondern haben die Verkehrsteilnehmenden. Wenn nicht zu schnell gefahren wird, sind folglich die Einnahmen tiefer.» Würden weniger Gelder durch Ordnungsbussen eingenommen, dann sei das so. «Es wird nicht auf eine Budgeterreichung hingearbeitet.» Und auch Graser von der Kapo Aargau macht klar: «Das Ordnungsbussen-Budget ist nicht als Leistungsvorgabe, sondern als Richtwert zu verstehen.»
«Bürger oft überrascht von Strenge des Gesetzes»
Das sieht auch Rechtsanwalt Reto Steimer so: «Es gibt sicher keine Anweisungen der Führungsetage der jeweiligen Polizeikorps, dass die Polizisten das Bussen-Budget zu erfüllen haben.» Aber: «In den Korps herrscht möglicherweise ein entsprechender Geist.»
Steimer sagt, er könne nachvollziehen, dass die Bürger das Gefühl hätten, Ende Jahr würden die Bussen strenger verteilt werden. «Doch unschuldig ist der Bürger daran natürlich nicht. Aber er ist oft überrascht von der Strenge des Gesetzes.»
Was der Anwalt hingegen nicht in Ordnung findet: wohin die Bussgelder gehen. «Das Geld aus den Bussen fliesst immer in die allgemeine Staatskasse der jeweiligen Gemeinde, Stadt oder des Kantons.» Damit sei für ihn die Prävention infrage gestellt, so der Rechtsexperte: «Wäre klar, wohin die Bussgelder fliessen, könnte damit etwas zweckgebundenes und für den Bürger nachvollziehbares gemacht werden.» Steimer nennt ein Beispiel: «Fährt einer übers Rotlicht, könnten die Einnahmen aus der Busse für die Prävention im Primarschulunterricht verwendet werden.»