«Ab Oktober sind Selbsttests nicht mehr gratis»
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Bundesrat Alain Berset:«Ab Oktober sind Selbsttests nicht mehr gratis»

Zürich fordert
Keine Gratis-Zertifikate mehr für Getestete!

Ab Oktober sollen Symptomlose für Corona-Schnelltests selber zahlen. Die meisten Kantone stützen den Kurs des Bundesrats. Der Kanton Zürich macht auch einen Vorschlag, wie Missbrauch verhindert werden soll.
Publiziert: 18.08.2021 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2021 um 20:39 Uhr
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Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli will verhindern, dass sich jemand ein kostenloses Covid-Zertifikat erschleicht.
Foto: Philippe Rossier
Ruedi Studer

Der Bundesrat erhöht den Druck auf Ungeimpfte: Ab Oktober ist für Symptomlose Schluss mit Gratis-Tests. Wer für den Club- oder Stadionbesuch einen Schnelltest braucht, soll in die eigene Tasche greifen. «Es geht nicht an, dass die Gesellschaft als Ganzes dafür aufkommen muss», begründet SP-Sozialminister Alain Berset (49) den Vorschlag.

Gratis bleiben die Tests über den Oktober hinaus für jene, die sich nicht impfen lassen können. Ebenso für Kinder unter 12 Jahren. Zudem übernimmt der Bund weiter die Kosten für repetitives Testen an Schulen oder in Betrieben.

Zürich will Zertifikate einschränken

Wie die Blick-Umfrage bei den Kantonen zeigt, erhält Berset mehrheitlich Rückendeckung. Kostenpflichtige Schnelltests ab Oktober wünschen sich neben Zürich etwa auch die Kantone Aargau, Basel-Stadt, Baselland, Freiburg, Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Thurgau, Wallis oder Zug. «Damit wird die Bundeskasse wesentlich entlastet», schreibt der Kanton Aargau.

Ein Covid-Zertifikat würden Symptomlose also nur erhalten, wenn sie den Test bezahlen. Ein Problem bleibt aber ungelöst: Wie wird verhindert, dass jemand Symptome vortäuscht und sich so ein Zertifikat erschleicht? Bundesrat Berset konnte letzte Woche keine Antwort darauf geben.

Darauf hat der Kanton Zürich mit SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) eine Antwort. Sie will Missbrauch radikal unterbinden. «Es muss vermieden werden, dass Symptome vorgetäuscht werden, um weiterhin ein kostenloses Zertifikat zu erhalten», heisst es im Regierungsratsbeschluss dazu. Die Lösung: «Beim symptombasierten Testen soll kein Zertifikat mehr ausgestellt werden.»

Wer Symptome hat, soll also grundsätzlich kein Zertifikat erhalten – egal, bei welcher Testart. Das bestätigt Jérôme M. Weber von der Zürcher Gesundheitsdirektion gegenüber Blick. Zwecks Missbrauchsbekämpfung fordere der Kanton den Bundesrat auf, «künftig bei Tests – sowohl PCR als auch Antigen – aufgrund von Symptomen auf die Ausstellung eines Zertifikats zu verzichten», so Weber. «Dieses soll nur noch bei Menschen ohne Symptome ausgestellt werden, wenn diese einen Test machen und dafür zahlen.»

Die Überlegung dahinter: Wer Symptome hat, will bloss wissen, ob er erkrankt ist oder nicht – und braucht daher auch kein Zertifikat. Das heisst: Für Getestete soll es künftig keine Gratis-Zertifikate mehr geben.

In Basel stösst man ins selbe Horn: «Es ist unbedingt zu vermeiden, dass zu viele unnötige PCR-Tests gemacht werden und somit die PCR-Laborkapazitäten an ihr Limit kommen», sagt Regierungssprecher Marco Greiner. «Es steht im Raum, dass bei negativen PCR-Tests von symptomatischen Personen kein Zertifikat mehr ausgestellt wird.»

Gratis-Test-Aus sei «verfrüht»

Einige Kantone stellen sich gegen das baldige Ende der Gratis-Tests. Das Aus sei «verfrüht», moniert der Solothurner Regierungsrat. «Angesichts der steigenden Fallzahlen ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen testen lassen und weiterhin eine gut ausgebaute Testinfrastruktur in den Kantonen zur Verfügung steht.»

Ein Ende der Gratis-Tests sei besonders für die Jungen problematisch, sagt der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (63) gegenüber Radio SRF. «Die junge Generation hat in dieser Pandemie enorm viel für die ältere Generation getan.»

Die Waadt möchte die Übergangsfrist «um einige Wochen» verlängern, «damit sich auch nicht geimpfte Personen noch anmelden können, sobald der Entscheid des Bundesrates bekannt ist».

Länger abwarten will auch der Kanton Appenzell Ausserrhoden. Aufgrund der Erfahrungen vor einem Jahr soll der Bund die Testkosten bis zum 1. November weiterhin tragen.

Appenzell Innerrhoden, das Schlusslicht bei der Impfquote, steht ebenfalls auf die Bremse. «Die heutige gute Situation mit den Tests wird aufs Spiel gesetzt, wenn man vorschnell eine Kostenpflicht einführt», schreibt die Kantonsregierung. Auf Ungeimpfte werde damit ein Druck ausgeübt, der sich leicht kontraproduktiv auswirken könne. «So dürfte die bereits heute feststellbare gesellschaftliche Kluft zwischen Impfgegnern und Impfbefürwortern damit nochmals deutlich zunehmen.» Gratis-Tests könnten zudem unter Vortäuschung von Covid-Symptomen erschlichen werden, werfen die Appenzeller ein.

Gratis-Tests limitieren

Einen Mittelweg schlägt der Kanton Nidwalden vor. Die Tests sollen weiterhin gratis sein – allerdings nur eine bestimmte Anzahl. «Sodass die Gratis-Test-Möglichkeit nicht als Freipass für private Aktivitäten verstanden wird und sich bisher unentschlossene Personen eher überlegen, sich impfen zu lassen, womit sie dem Schutz ihrer Gesundheit und ihrem Umfeld etwas Gutes tun», wie der Kanton erklärt.

Für einen derartigen Kompromiss plädiert auch der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse: «Die Anzahl finanzierter Tests pro Monat könnte limitiert werden – beispielsweise auf fünf Stück», sagt Präsident Adrian Wüthrich (41). «Muss der Test selber bezahlt werden, geht man weniger schnell zum Test und steckt in dieser Zeit vielleicht Leute an», warnt er. Die Kostenfrage ist für ihn nicht entscheidend: «Auch bei der Verteilung der Covid-Kredite wurden Verluste hingenommen. Wenn nun jemand einen Test für ein Zertifikat für den Ausgang finanziert, sollten wir dies ebenfalls hinnehmen.»

Wirtschaft gespalten

Bei den Wirtschaftsverbänden gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Der Gewerbeverband lehnt die Berset-Vorschläge rundweg ab. Die Tests seien ein wichtiger Teil des gezielten Schutzes. Ein Abbau sei «gesundheitspolitisch grobfahrlässig», so Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (63). Und: «Die Tests für ungeimpfte Personen kostenpflichtig zu machen, ist widersprüchlich und unverhältnismässig.»

Der Arbeitgeberverband hingegen stärkt dem Bundesrat den Rücken und begrüsst die Kostenpflicht. «Wir erhoffen uns davon einen Motivationseffekt für weitere Impfungen», sagt Kommunikationschef Fredy Greuter.

Mit der Impfung stehe eine bessere und weiterhin kostenlose Alternative zur Verfügung, macht Economiesuisse klar. «Wer sich nicht impfen lassen will und trotzdem ins Ausland fahren oder in einem Club tanzen will, soll für die Testkosten künftig selber aufkommen.»

Der Bundesrat entscheidet nächste Woche definitiv über die Teststrategie.

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