Es ist kompliziert. So lässt sich der Beziehungsstatus zwischen SP-Ständerat Daniel Jositsch (57) und seiner Partei zusammenfassen. Oder treffender: Es ist grad noch viel komplizierter geworden. Der Zürcher hat am Dienstag angekündigt, für den Bundesrat kandidieren zu wollen, obwohl die SP-Spitze auf ein reines Frauenticket setzt. Ein Balanceakt.
Wie Jositsch vor den Medien erklärte, hofft er, die Fraktion werde das Ticket doch noch für einen Mann öffnen – also für ihn. Und tatsächlich schlägt Ständerat Roberto Zanetti (67) vor, die Fraktion solle auf ein Dreierticket mit mindestens zwei Frauen setzen. «Das aber wird nichts», winkt man dort ab. Die Mehrheit bestehe auf reine Frauenkandidaturen.
Seine Chancen sind aufs Minimum geschrumpft
Nur: Lässt die SP Jositsch nicht aufs Ticket, droht der Zürcher mit einer wilden Kandidatur. «Egotrip», «Er überschätzt sich völlig» und «Das zeigt, dass er doch nicht geeignet wäre, Bundesrat zu werden» sind noch die höflichsten Aussagen von Politikern aus verschiedenen Parteien dazu – zu denen niemand namentlich stehen will. Anders Juso-Präsident Nicola Siegrist (25). «Das Theater von Jositsch lenkt ab. Diskutieren wir lieber über die fähigen Frauen, die infrage kommen», meint er auf Twitter.
Das zeigt, dass Jositschs Chancen, jemals Bundesrat zu werden, seit Simonetta Sommarugas (62) Rücktrittsankündigung von gut auf minimal geschrumpft sind. Er hat viel Goodwill verspielt. Vollständig mit seiner Partei brechen will er zwar nicht. Und er ist der SP gar so weit entgegengekommen, dass er «die Spielregeln» akzeptieren würde, sofern Männer auf dem Ticket toleriert würden.
Hochseilakt ohne Netz
Sollte Jositsch in diesem Fall von den Fraktionsmitgliedern dennoch nicht nominiert werden, sei das eben so. Und er versichert gar: Dann würde er eine Wahl in den Bundesrat nicht annehmen. Ebnet die Fraktion den Weg für den Zürcher aber nicht und bleiben Partei- und Fraktionsleitung hart, dann könnte der Konflikt eskalieren.
Kandidiert Jositsch wild, probt er den Hochseilakt ohne Netz. Er scheint es in der ganzen Zeit verpasst zu haben, ein solches zu knüpfen. Immerhin: Einen Parteiwechsel schliesst der Ständerat aus. Schliesslich ist er weiterhin auf die SP angewiesen. Jositsch wurde zwar von der Zürcher Wählerschaft zum Ständerat erkoren, doch nur dank seiner Partei ist er auch zum valablen Kandidaten geworden.
Und selbst wenn er eine Wiederwahl ohne Partei im Rücken schaffen würde – was ihm einige zutrauen: Das Politisieren ohne Hausmacht in Bundesbern ist schwer.
Parteispitze trägt Mitschuld
Dass es zu dieser schwierigen Situation kam, haben auch die Partei- und die Fraktionsführung mitprovoziert. Das Co-Präsidium Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) sowie Fraktionschef Roger Nordmann (49) hatten früh verkündet, es gebe ein reines Frauenticket. Hätten sie ein offenes Ticket vorgeschlagen, hätte man dennoch einer Frau gegenüber Jositsch den Vorzug geben können.
Erschwerend kommt hinzu, dass neben Jositsch noch keine SP-Kandidatin in den Ring gestiegen ist. Nun befürchten Beobachter, die Genossen hätten gar keine Frau, die antritt. Blick wird aber versichert: «Mindestens zwei fähige Frauen werden ihre Kandidatur anmelden.» Und eine von diesen werde gewählt.
Jositschs Seiltanz bliebe dann bestenfalls folgenlos. Schlimmstenfalls kommt es zum Absturz des «arroganten Juristen» – noch so ein Ausdruck, mit dem der Zürcher betitelt wird. Er mag in Bern vielleicht einiges verpasst haben. Sich Feinde zu schaffen, gehört nicht dazu.