Die SP-Bundesrätin war das Lieblingsziel der Bürgerlichen
«Die SVP hat sich immer auf Sommaruga eingeschossen»

Die zurücktretende SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga war oft sehr harten Angriffen von rechts ausgesetzt. Sie selbst benannte die Gefahr, die in dem zunehmend rauen Ton in der Politik liegt.
Publiziert: 04.11.2022 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2022 um 09:58 Uhr
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Simonetta Sommaruga war während ihrer Amtszeit immer wieder harten Angriffen von rechts ausgesetzt.
Foto: AFP
Sophie Reinhardt und Sermîn Faki

Die zurücktretende SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) war der Lieblingsfeind der Rechten. Die SVP etwa forderte immer wieder ihren Rücktritt – und mehr: Man müsse Sommaruga «absetzen», hiess es noch Ende August in einem Communiqué.

Wenig später drohte SVP-Nationalrat Christian Imark (40) recht unverhohlen. «Frau Bundesrätin: Wenn Sie die angekündigten Notfallszenarien diesen Winter anwenden müssen, dann gehen die Leute auf die Strasse, und sie werden weit mehr fordern als Ihren Rücktritt», wetterte der Solothurner im Nationalratssaal.

Bundesräte im Tram – nur die halbe Wahrheit

Wer mit Kritik nicht umgehen könne, solle der Politik lieber fernbleiben, sagte die Bundesrätin am Mittwoch bei ihrer Rücktrittsankündigung. Und doch sind die Angriffe nicht spurlos an ihr vorbeigegangen, wie sie einräumte: «Der Umgang ist in den letzten Jahren rauer geworden.» In der Schweiz sei man ja stolz darauf, dass die Mitglieder des Bundesrats immer noch Tram und Bus fahren würden, so Sommaruga. «Aber es ist eben nur die halbe Wahrheit. Bei vielen Auftritten haben wir heute Personenschutz.»

Alle müsste sich bewusst sein: «Wenn der Ton rauer wird, wirkt sich das aus. Auf das Klima in diesem Land.»

«Desaster hinterlassen»

Gefruchtet hat es wenig. Auch nach ihrer Rücktrittsankündigung hielten sich die politischen Gegner nicht zurück. FDP-Nationalrat Marcel Dobler (42) bezeichnete Sommarugas Rücktritt als «strategischen Rückzug», um die beiden SP-Sitze im Bundesrat zu sichern – ohne die persönliche Situation und die Krankheit ihres Mannes Lukas Hartmann (78) zu erwähnen. Später löschte er besagten Tweet und entschuldigte sich. SVP-Nationalrat Roger Köppel (57) bezichtigte die Bundesrätin als «schon lange ermattet und ermüdet».

Und SVP-Nationalrat Thomas Matter (56) beschrieb Sommaruga am Donnerstag auf Blick TV als «total ideologisch». Sie habe «überall ein Desaster hinterlassen» – im Asylwesen, aber auch bei der Energiestrategie.

«Mensch im Zentrum»

Eine Einschätzung, die SP-Nationalrätin Céline Widmer (44) nicht auf Sommaruga sitzen lassen wollte: Die SVP möge Sommaruga nicht, weil sie hartnäckig und sachpolitisch bleibe und es schaffe, verschiedene Lager an einen Tisch zu bringen. «Die SVP hat sich immer auf sie eingeschossen, teilweise mit einem Ton, den ich grenzwertig finde.»

Zum Teil liegt es sicher auch an ihren Departementen, dass die SVP gerne gegen die Bernerin schimpft. Als Justizministerin hatte Sommaruga häufig mit Anliegen der Volkspartei zu tun. Bei der Masseneinwanderungsinitiative, der Ausschaffungsinitiative oder der Durchsetzungsinitiative kämpfte sie jeweils gegen die SVP. Im Uvek hingegen dürfte hineingespielt haben, dass sich die SVP aus Mangel an Themen-Alternativen den Kampf gegen die linken Städte auf Fahnen geschrieben hat.

Rückendeckung erhielt Sommaruga von Balthasar Glättli (50), dem Parteichef der Grünen. Es spreche gerade für Sommaruga, dass sie angesichts der Energiekrise zurücktrete, sagte Glättli auf Blick TV. Dass sie öffentlich eingestehe, wegen des Gesundheitszustands ihres Mannes Lukas Hartmann (78) nicht mehr 1000 Prozent leistungsfähig zu sein und darum die Verantwortung jemandem zu übergeben, der dies könne.

«Bekam Schuppen auf der Seele»

SVP-Matter liess sich davon nicht beirren: Die SVP werde genau beobachten, welche zwei Politikerinnen die SP nun als Nachfolge für Sommaruga vorschlage. «Wenn das Linksextreme sind, sieht unser SVP-Ticket vielleicht anders aus», kündigt er an. Würde etwa Ex-Juso-Chefin Tamara Funiciello (32) aufgestellt, werde die SVP ihr Ticket mit jemandem, der polarisiere, besetzen, droht er. Mit einer Kandidatur von SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (43) könne er dagegen leben, so Matter.

Allerdings war Matter da etwas vorschnell: Erstens steht Funiciellos Name bei der SP überhaupt nicht zur Diskussion. Und zweites legt die SVP ihr offizielles Bundesratsticket am 18. November fest – eine Woche vor der SP.

Doch welche Frau auch immer draufsteht: Sie kann sich bei Sommaruga schon mal Tipps holen, wie man mit den Angriffen umgeht. Sommaruga selbst hat sich einen Panzer angelegt, wie ihr langjähriger Vertrauter Rudolf Strahm (79) im «Tages-Anzeiger» sagte: «Mit der Zeit bekam sie Schuppen auf der Seele.»

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