SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) tritt per Ende Jahr zurück. Nun dreht sich bereits das Kandidatinnen-Karussell für ihre Nachfolge. Die Parteispitze schlägt der Fraktion folgende Kriterien vor: Auf Sommaruga soll eine Frau folgen. Aus welchem Landesteil, ist egal. Und das Parlament soll aus einem Zweier-Ticket wählen können.
Die SP-Frauen stehen also im Fokus. Die Partei, die sich stark für Gleichberechtigung einsetzt, mag nicht mit einer reinen Männervertretung in der Regierung sitzen – nicht einmal temporär.
Wollen die Zürcher den Sitz holen, ist eine Kandidatur von SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr (59) denkbar. Sie hat 2010 bereits einmal einen Versuch unternommen, unterlag damals aber Sommaruga.
«Muss in Ruhe überlegen»
Oder will Sicherheitspolitikerin Priska Seiler-Graf (54) ihren Hut in den Ring werfen? Die Zürcherin sagt auf Anfrage zu Blick, dass die Rücktrittsnachricht sie sehr betroffen mache. «Ich muss jetzt meine Gedanken ordnen und in Ruhe überlegen.»
2010 gehörte auch die heutige Basler Ständerätin Eva Herzog (60) zu den Anwärterinnen. Doch sie schaffte es nicht aufs SP-Zweierticket. Herzog hat im Kanton Basel-Stadt als Finanzdirektorin brilliert und wurde 2019 locker in die Kleine Kammer gewählt.
Fehr und Herzog dürften wegen ihres Alters etwas schlechtere Karten haben, von der Fraktion nominiert zu werden. In der Partei kann man sich nämlich durchaus eine jüngere Kandidatin vorstellen.
Denn andere Länder haben damit gute Erfahrungen gemacht. Eine SP-Bundesrätin vergleichbar mit der finnischen Regierungschefin Sanna Marin (36) oder der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern (42), die mit ihrer unkonventionellen Art frischen Wind in die Regierung gebracht haben, können sich einige Genossinnen und Genossen durchaus vorstellen.
Auch Romandie eine Option
Ebenfalls genannt wird etwa die Waadtländer Gesundheitsdirektorin Rebecca Ruiz (40), die seit 2019 in Lausanne mitregiert und zuvor fünf Jahre im Nationalrat politisiert hatte. Ebenso könnte die Waadtländer Staatsrätin Nuria Gorrite (52) ins Rennen steigen.
Eine Kandidatur aus der Romandie kommt nämlich durchaus infrage, da der welsche SP-Bundesrat Alain Berset (50) nach seinem Jahr als Bundespräsident 2023 ebenfalls den Hut nehmen dürfte.
Das öffnet den Spielraum nicht nur für Kandidatinnen aus der Westschweiz, sondern auch aus dem Tessin. Dann könnte Marina Carobbio Guscetti (56) ihr Interesse anmelden – wobei eine zweite Tessiner Vertretung in der Landesregierung neben Ignazio Cassis (61) wohl nicht realistisch ist. Zudem kandidiert Carobbio bereits für die Tessiner Regierung.
Was machen die Berner?
Spannend wird sein, wie die Berner SP reagiert. Diese dürfte Anspruch auf «ihren» Sommaruga-Sitz geltend machen. Die Nationalrätin Flavia Wasserfallen (43) zählt ebenso zum Kreis der möglichen Anwärterinnen wie SP-Regierungsrätin Evi Allemann (44).
Bereits aus dem Rennen nimmt sich SP-Nationalrätin Nadine Masshardt (38). Zwar würde sie ein Exekutivamt irgendwann einmal reizen, sagte sie der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. «Doch das Amt der Bundesrätin mit der dafür nötigen Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.»
Sollte doch ein Mann zum Zug kommen, wäre der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (55) eine Option.
Ein fast schon sicherer Interessent wäre eigentlich der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (57). Er, der dem Realo-Flügel der SP zugerechnet wird, hat in letzter Zeit auffällig stark versucht, sich beim linken Flügel beliebt zu machen – etwa mit seinem Einsatz für das Frontex-Referendum oder die Massentierhaltungs-Initiative.
Ob er sich nun zurückhält und erst bei einem Berset-Rücktritt ins Rennen steigt? Jositsch sagt gegenüber Blick nur so viel: «Wenn die Fraktion entscheidet, dass es auch ein Mann sein kann, werde ich mir eine Kandidatur ernsthaft überlegen.»
Doppelvakanz mit Unwägbarkeiten
Ein weiterer Unwägsbarkeitsfaktor ist, dass am 7. Dezember nicht nur der Sitz von Sommaruga, sondern auch von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) besetzt werden muss. In der SVP gilt mit Albert Rösti (55) ein Berner als Topfavorit für den Einzug in die Landesregierung. Das macht die Hürde für einen weiteren Berner Sitz bei der SP etwas höher.
So dürften in der SP die Nicht-Bernerinnen bereits die etwas besseren Karten in den Händen halten. Damit könnten auch die Ambitionen bei weiteren Politikerinnen steigen – beispielsweise bei der Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (28). In der Fraktion könnte sie einen Überraschungscoup landen.
Am 19. November wird die Fraktion die Kriterien für eine Kandidatur festlegen, bis am 21. November müssen Interessierte ihre Kandidatur der Findungskommission melden. Definitiv entscheiden wird die SP-Fraktion am 26. November, wen sie offiziell ins Rennen schickt.