Simonetta Sommaruga (62) wäre gerne noch länger Bundesrätin geblieben. Doch ein Schicksalsschlag hat die Zukunftspläne der Umwelt- und Energieministerin jäh durchkreuzt. Nach zwölf Jahren im Amt verlässt die SP-Politikerin Ende Jahr darum wie Finanzminister Ueli Maurer (72) die Regierung.
Vor zehn Tagen habe ihr Mann, der Schriftsteller Lukas Hartmann (78), einen Schlaganfall erlitten, begründete Sommaruga ihren Entscheid. Die Bundesrätin hatte wegen des Gesundheitszustands ihres Mannes, mit dem sie seit 26 Jahren verheiratet ist, vergangene Woche eine Auszeit genommen.
Weitermachen geht nicht
Der Hirnschlag sei für sie beide ein Schock gewesen, sagte die Bernerin an einer eilig anberaumten Medienkonferenz. Die sonst eher kühl und wenig nahbar wirkende Politikerin kämpfte mit den Tränen, als sie von ihrem Mann sprach. «So ein Ereignis ist ein Einschnitt, der plötzlich und unerwartet kommt und der einen nachdenklich stimmt», sagte sie. Weitermachen wie bisher, das könne sie nicht. Sie wolle die Schwerpunkte in ihrem Leben nun bewusst anders setzen.
Mit ihrem Rücktritt wird das Parlament am 7. Dezember gleich zwei Bundesratssitze zu besetzen haben. Der SP verbleibt wenig Zeit, eine Auswahl an geeigneten Nachfolgerinnen zu finden, die sie dem Parlament vorschlagen kann.
Sommaruga will die verbleibenden Monate im Amt noch mit vollem Einsatz ausüben. Sie sei glücklich, Bundesrätin zu sein. «Und das bleibe ich bis zum Schluss.» Doch nach ihrem Schicksalsschlag ist entgegen früherer Pläne ein längerer Verbleib in der Regierung für sie nicht mehr vorstellbar.
Grösster Erfolg: Asylreform
Die Bernerin blickt auf zwölf Jahre im Bundesrat zurück. Ab 2010 stand sie dem Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) vor. Seit Januar 2019 ist sie Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Zweimal war sie bereits Bundespräsidentin.
Bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat sass die ausgebildete Konzertpianistin sieben Jahre lang für den Kanton Bern im Ständerat, davor war sie Nationalrätin. Parteisoldatin indes war sie nie – schon früh sorgte sie in der SP mit dem «Gurten-Manifest» für Ärger, als sie zusammen mit anderen den Parteifreunden eine neue Kursrichtung vorschlug.
Sommarugas grösster Erfolg als Bundesrätin ist sicherlich die Beschleunigung der Asylverfahren, für die sie im Volk eine Mehrheit fand: Auch gegen linken Widerstand reformierte sie das Asylwesen, indem sie die Asylverfahren beschleunigte. 2020 führte die SP-Frau das Land als Bundespräsidentin durchs erste Pandemie-Jahr. Und als die Situation im Herbst am Eskalieren war, nahm sie das Heft in die Hand – und Parteikollege Alain Berset (50) aus der Hand.
Frauenjahr als Highlight
In Erinnerung bleibt auch, dass sich Sommaruga 2013 im Namen des Bundesrats bei ehemaligen Verdingkindern entschuldigte. Für Co-Präsidentin Mattea Meyer (34) ist dies das wohl beste Beispiel fürs Wirken der Bundesrätin. Sommaruga habe stets den Menschen ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt. Die Bundesrätin selbst erinnert sich besonders gern an ihr erstes Jahr im Bundesrat, in dem die Frauen in der Landesregierung in der Mehrheit waren.
Es gibt aber auch politische Niederlagen, die Sommaruga einstecken musste. In der Abstimmung vom Juni 2021 schickte die Bevölkerung das revidierte CO2-Gesetz bachab.
Kein schlechter Zeitpunkt, zu gehen
Nachdem Russland am 24. Februar die Ukraine angegriffen hatte und es sich abgezeichnete, dass Strom und Gas im Winter knapp werden, setzte sie zahlreiche Hebel in Bewegung, um eine Energielücke zu vermeiden.
So sicherte sich die Bundesrätin in Holland Speicherkapazitäten für Flüssiggas, gleiste eine Wasserkraftreserve auf und unterzeichnete den Vertrag für das Reserve-Gaskraftwerk. Wie der Bundesrat gestern informierte, gehen Experten nun davon aus, dass es diesen Winter nicht zu einem gravierenden Strommangel kommt.
So kann Sommaruga im guten Gewissen gehen, dass sie die Schweiz wohl vor einer Energiekrise bewahrt hat. Viele Baustellen in der Energiepolitik bleiben aber noch. Doch diese dürfte ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger im Uvek abzuarbeiten haben.