Restaurants, Kinos, Theater, kleinere Veranstaltungen: Die Covid-Zertifikatspflicht soll deutlich ausgeweitet werden, und zwar sofort, findet Christoph Berger (59), Präsident der Schweizer Impfkommission. «Das ist unumgänglich. Man kann nicht mehr warten», wird er in der «Sonntagszeitung» zitiert. Denn mittlerweile stehe das Gesundheitswesen an der Grenze zur Überlastung.
Auch die Arbeitgeber sieht Berger in der Pflicht. So wäre für ihn nicht nur eine Zertifikatspflicht für Berufe mit nahen sozialen Kontakten (Lehrkräfte, Pflege- oder Gastronomiepersonal) prüfenswert. Arbeitgeber könnten zudem die Impfkampagne unterstützen und Arbeitszeit für die Impfung zur Verfügung stellen.
Arbeitgeber soll Zertifikat prüfen dürfen
Noch im Mai war der Einsatz des Covid-Zertifikats am Arbeitsplatz für den Bundesrat kein Thema. Doch nun steigen die Fallzahlen wieder, genauso wie die Zahl der Spitaleinweisungen. Und die Regierung um Gesundheitsminister Alain Berset (49) hat ihre Meinung geändert: Steigen die Zahlen weiter, soll die Zertifikatspflicht ausgeweitet werden. Am Mittwoch soll der definitive Entscheid fallen.
Der neue Verordnungsentwurf, der derzeit in der Vernehmlassung ist, sieht vor, dass Firmen kontrollieren dürfen, ob ihre Beschäftigten ein Zertifikat haben – also geimpft, genesen oder getestet sind. Das heisst: Der Arbeitgeber darf das Zertifikat prüfen, sofern dies «der Festlegung angemessener Schutzmassnahmen oder der Umsetzung des Testkonzepts dient».
Wirtschaft will vor allem Lockdown vermeiden
Damit reagiert der Bundesrat auch auf den Druck der Wirtschaft. Bereits vor einem Monat forderte Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt (60), dass Arbeitgeber bei steigenden Fallzahlen von ihren Beschäftigten ein Zertifikat verlangen dürfen. Damit wolle man einen erneuten Lockdown abwenden.
Auch Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder (62) steht der Ausweitung der Zertifikatspflicht grundsätzlich positiv gegenüber. Arbeitgeber sollen in gewissen Bereichen die Zertifikatspflicht anordnen dürfen, sagt er zu Blick. Das gelte etwa für Bereiche mit Kundenkontakt. «Es müssen differenzierte und sachlich gerechtfertigte Lösungen möglich sein», findet Mäder.
Rechtlich durchaus umsetzbar
Für die Gewerkschaften gehen diese Pläne viel zu weit. Sie vermuten einen versteckten Impfzwang. Es sei nicht zielführend, wenn die Impfquote mittels Ausübung von Zwang durch den Arbeitgeber auf die Arbeitnehmenden erhöht werde, so der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Man befürworte die Impfung. Statt einer Zertifikatspflicht müsse man aber das Impfen weiter vereinfachen.
Bisher dürfen Zertifikate nur in Ausnahmefällen verlangt werden. Aus rechtlicher Sicht sei eine solche Pflicht zwar heikel, aber durchaus umsetzbar, sagt der emeritierte HSG-Professor Thomas Geiser (68). «Wenn der Bundesrat die Kompetenz hat, solche Vorschriften zu erlassen, ist das ohne weiteres möglich», sagt er zu SRF. «Arbeitnehmende, die bestimmte Arbeiten ausführen, müssen dann eine bestimmte Impfung haben oder auf andere Weise zertifizieren, dass Schutzvorkehrungen bestehen», so Geiser. In gewissen Spitälern und Heimen gilt dies schon heute. (dba)