Auf einen Blick
- Tierrettungsdienst überlastet: Mitarbeitende am Anschlag, finanzielle Ressourcen fehlen
- Stiftung übernimmt Aufgaben von Feuerwehr und Wildhütern ohne Vergütung
- Einsatzzahlen steigen jährlich um 10 bis 15 Prozent
«Wir sind am Anschlag.» Christine Keller (39) von der Stiftung Tierrettungsdienst ist sichtlich erleichtert, das endlich auszusprechen. Die Stiftung nimmt Tiere in Not auf, die verletzt, ohne Besitzer oder ausgesetzt sind. Sie pflegen sie oder kümmern sich darum, dass sie in Pflegestationen oder Heimen untergebracht werden.
Schon seit einiger Zeit bahnt sich die Überlastung an. Jetzt ist das Fass zum Überlaufen voll. Keller spricht von überlasteten Mitarbeitenden und pausenlosen Einsätzen, um die Liste von Tieren in Not abzuarbeiten.
Schon jetzt heisse das: Nicht mehr in jedem Fall könne man vor Ort helfen, weil schon das ganze Rettungsteam im Einsatz sei. Und die Wartezeiten bei Notrufen würden länger.
Überlastete Freiwillige
Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Zahl der Einsätze steigt mit jedem Jahr. «Dieses Jahr hatten wir wieder rund 10 bis 15 Prozent mehr Fälle», sagt Kollege Benjamin Altorfer (35). Das liege etwa daran, dass die Zahl der Haustiere stark gestiegen sei. Ausserdem seien die Menschen stärker sensibilisiert, Tieren in Not zu helfen.
Gleichzeitig fehlt es an Geld. Deswegen gibt es keine Möglichkeit, mehr Personal einzustellen. Die Arbeit, die übrig bleibt, versuche man mit Freiwilligen abzudecken. Diese müssten darum längere Schichten schieben. «Früher sind sie um 19 Uhr gestartet, und nach vier oder fünf Einsätzen waren sie wieder zu Hause. Jetzt sind sie oft bis 1 Uhr morgens unterwegs – und müssen dann am nächsten Tag zur Arbeit.» Viele würden deshalb abspringen, und für die, die bleiben, spitze sich das Problem nur noch zu.
Finanziert durch Spenden
Grund für die kritische Lage sind die unklaren Regeln: Der Tierrettungsdienst springt dort in die Bresche, wo sich niemand anders verantwortlich fühlt. Für die Rettung von einigen Wildtieren, wie zum Beispiel von Wildvögeln, sind sie im Kanton Zürich zwar offiziell zuständig. Sie übernehmen aber auch Aufgaben, die eigentlich die kantonale Feuerwehr und die Wildhüter erledigen müssten. Im Unterschied dazu bekommen sie dafür kein Geld. Und auch in anderen Kantonen rücke man für Tierrettungen aus.
Die Konsequenz: Für die Kosten muss der Rettungsdienst selbst aufkommen. «Wir finanzieren uns über Spenden», so Keller. Der Grossteil der geretteten Tiere sei halterlose Haustiere oder Wildtiere, und diese Einsätze seien nicht verrechenbar, sagt Altorfer.
Auch in anderen Kantonen seien die Zuständigkeiten oft nicht klar geregelt, sagt Keller. Wildhüter hätten etwa nicht immer Kapazität, für jeden Wildvogel auszurücken. Und nicht überall gebe es einen Tierrettungsdienst, der diese Lücke fülle – eben auch, weil für die Kosten niemand aufkommt.
Grünen-Nationalrätin will Tierrettungen sicherstellen
Der Notstand bei den Rettungsdiensten hat nun auch die nationale Politik auf den Plan gerufen: Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (32) wird dazu einen Vorstoss einreichen. Der Bundesrat soll prüfen, wie die Rettung der Tiere in Not sichergestellt werden kann.
«Entweder sollen die Kantone mehr Ressourcen erhalten, um die Leistungen selbst zu erbringen. Oder die Tierrettungsdienste müssen ihre Einsätze auch in Rechnung stellen können», sagt Schneider.
Christine Keller wünscht sich, dass endlich mehr Klarheit herrscht und dass die Stiftung Tierrettungsdienst für die Arbeit, die sie leisten, vergütet wird. «Eine solche Regelung ist eigentlich überfällig.»