Die Prognosen waren klar. Das Verteidigungsdepartement (VBS) durfte mit einer deutlichen Zustimmung zum Kampfjet-Kauf rechnen. Das Team von Departementschefin Viola Amherd (58) war noch am Freitag zuversichtlich, gegen 60 Prozent Zustimmung zu erhalten. Und dann war alles anders: Gegner und Befürworter lagen gleich auf.
Die Walliserin, die sich voll in den Abstimmungskampf reingehängt hatte, wankte. Lange war unklar, wer obenaus schwingt. Erst gegen 17 Uhr gab es Gewissheit: Mit nur 8670 Stimmen Unterschied ist Amherd knappe Siegerin des Kampfjet-Battles.
Sie spult die Siegesrede ab
Als die Verteidigungsministerin zusammen mit vier anderen Bundesräten 45 Minuten später vor die Medien tritt, hat sie sich noch nicht davon erholt, dass sie die halbe Schweiz gegen sich hat: 49,9 Prozent der Stimmenden verweigern ihr die Unterstützung.
Dennoch spult sie ihre Siegesrede herunter. Und auf Fragen antwortete sie so, als hätten sich die Stimmenden gerade überaus klar für den Jet ausgesprochen. Egal, dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht.
Amherd hat nichts falsch gemacht
Die grosse Frage ist: Wieso? Denn Amherd hat nichts falsch gemacht. Sie hatte nach 23 Jahren SVP-Vorsteherschaft im VBS frischen Wind in die verstaubten Büros im Bundeshaus Ost gebracht. Sie hatte sich als Frau tatsächlich für Frauen eingesetzt – was nicht jede Bundesrätin tut. Und sie hatte mit Thomas Süssli (53) einen Mann an die Spitze der Armee berufen, der nicht gleich das Rentenalter erreicht.
Doch zum einen ist Amherd zum Corona-Opfer geworden. Die hohen Kosten der Pandemie hätten die Stimmenden fast bewogen, die sechs Milliarden teuren Jets zu grounden. Zum anderen haben die Abstimmung über die Begrenzungs-Initiative, die Referendumsabstimmung über den Sparbonus für reiche Eltern, der Angriff auf den Wolf im Jagdgesetz und der Vaterschaftsurlaub besonders viele linke und grüne Städter an die Urne gelockt, die der Armee ohnehin kritisch gegenüberstehen.
Die Hälfte des Volkes gegen sich
Und dennoch kam der Beinahe-K.o. Amherds völlig überraschend. Nun hat sie ein massives Problem. In der Romandie und im Tessin ist der Flieger abgestürzt. Auch die Frauen sind Amherd nicht gefolgt. Für die Hälfte der Schweizer Stimmbevölkerung ist es nicht nachvollziehbar, dass die Militärapotheke für eine Pandemie nicht gerüstet ist, man aber Milliarden aufwirft, um «Top Gun» zu spielen. Es leuchtet nicht ein, dass alle von der Cyberbedrohung reden, der Armeechef Cyberexperte sein soll, man aber Flugzeuge gegen eine Gefahr kauft, die niemand sieht.
Bis gestern zumindest. Nun hat die Schweizer Armee einen starken Gegner: die halbe Bevölkerung. Die Schwester des Soldaten, der Bekannte Amherds und der nette Herr von nebenan – sie alle können Gegner sein.
Die Walliserin signalisierte, eine Armee ohne Luftwaffe sei unvorstellbar. Das sieht jeder zweite Schweizer anders. Hätten einige Tausend Leute mehr Nein gesagt, hätte Amherd ihrer eigenen Aussage zufolge eine Auslegeordnung gemacht. Am Sonntag wollte sie darauf verzichten. Sobald sich die empathische Walliserin vom Abstimmungsschlag erholt hat, darf man aber davon ausgehen, dass sie auf die Gegner zugeht.
Alle Ergebnisse der Eidgenössischen Abstimmungen vom 27. September gibt es hier.