Gottfried Locher (55), der ehemalige Präsident der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz (EKS), habe eine frühere Mitarbeiterin der Kirche in ihrer «sexuellen, psychischen und spirituellen Integrität» verletzt. Zu diesem Schluss kam vergangenes Jahr eine Untersuchungskommission, nachdem eine Anwaltskanzlei den Belästigungs-Skandal um den vormals höchsten Reformierten aufgearbeitet hatte.
Nun, neun Monate nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts, hat die reformierte Kirche dem Opfer eine Wiedergutmachung zugesprochen. Man habe entschieden, der Frau «zur gütlichen Einigung» 50'000 Franken zu zahlen. Der Betrag decke einen Teil der Anwaltskosten ab und beinhalte eine Genugtuung, die auf Wunsch der Beschwerdeführerin Organisationen für Gewaltprävention und Opferhilfe gespendet werde.
Die Wiedergutmachung fällt deutlich tiefer aus als von der Frau gefordert. Die ehemalige Angestellte der EKS hatte rund 144'000 Franken verlangt.
17 Empfehlungen
Lochers Nachfolgerin Rita Famos (56) hatte sich vergangenen Sommer im Namen der EKS bei dem Opfer für dessen Leid «und den langen Weg, den es brauchte, sich Gehör zu verschaffen», entschuldigt.
Doch es soll nicht bei entschuldigenden Worten und einer finanziellen Wiedergutmachung für die Frau bleiben. Die Untersuchungskommission hat 17 Empfehlungen ausgearbeitet, die verhindern sollen, dass es noch einmal zu solch einem Fall innerhalb der reformierten Kirche kommen kann.
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Unter anderem wird das Beschwerdeverfahren verbessert. Ausserdem hat das Präsidium der Synode – das Parlament der reformierten Kirche – beschlossen, dass alle Personen, die Budgetverantwortung haben, eine Selbstverpflichtung unterschreiben müssen, dass sie sich an die ethischen Standards der EKS halten. Auf das Verfassen eines Verhaltenskodex habe man verzichtet, teilt die Kirche mit.
Locher schwieg
Auch will die Kirchenspitze keine separate Ombudsstelle für Beschwerden gegen die Ratsmitglieder einrichten, wie das die Untersuchungskommission empfohlen hatte. Das neue Beschwerdeverfahren genüge, ist man der Meinung.
Der Beschuldigte Locher hat sich selbst nie zum Fall geäussert und war auch nicht bereit, im Rahmen der kircheninternen Untersuchung Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Seine Ehefrau warf der EKS in einem Brief einen «Schauprozess» und «Scheinjustiz» vor. (lha)