Bevor die Sünden von Ex-Präsident Gottfried Locher an der Sitzung des reformierten Kirchenparlaments in Bern auf den Tisch kamen, beteten die Kirchenvertreter. «Wirst du von Fehlern erdrückt? Er vergibt uns.» So lautete eine Zeile des Gebets, das auf der Leinwand eingeblendet wurde.
Vergeben, vergessen? Auf dem Boden der irdischen Realität ist es nicht so einfach – schon gar nicht für den obersten Protestanten. In seiner Funktion hat Locher ein Vorbild zu sein. Dass er das in der Vergangenheit nicht war, ist schlimm genug. Noch schlimmer, dass er es auch bei deren Aufarbeitung nicht ist. Statt zu kooperieren, ging er auf Konfrontationskurs. Statt freiwillig abzutreten, drohte er mit einer Klage. Das ist beschämend.
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Aber auch die Kirche hat in der Krise bisher versagt. Zurückhaltend zu kommunizieren, ist angesichts der Unschuldsvermutung und der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zwar wichtig und richtig. Doch man wird den Eindruck nicht los, dass die Kirche vor allem um eines besorgt ist: ihr eigenes Image. Und dass sie das Ziel hat, möglichst rasch Gras über die Sache wachsen zu lassen.
Gott mag vergeben. Ob es auch die Kirchenmitglieder – und vor allem die betroffenen Frauen – tun?