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Wer gewinnt beim Lohnschutz-Poker?
EU-Deal wird für SP zur Gratwanderung

Noch vor Weihnachten dürfte der EU-Deal in trockenen Tüchern sein. Doch derzeit ist es alles andere als sicher, dass die EU-freundlichen Genossen das Abkommen mittragen werden. Knackpunkt sind die innenpolitischen Ausgleichsmassnahmen.
Publiziert: 13.12.2024 um 12:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2024 um 15:26 Uhr
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Der EU-Deal ist auf der Zielgeraden. Noch vor Weihnachten dürfte es erneut zum Handschlag zwischen Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommen.
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Auf einen Blick

  • SP-Nationalrat Eric Nussbaumer kämpft für stärkere EU-Einbindung der Schweiz
  • Gewerkschaften skeptisch gegenüber EU-Deal, fordern stärkeren Lohnschutz
  • Bundesrat diskutiert EU-Paket am 13. und 20. Dezember
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

«Mit Mut für Europa!» Der Slogan auf seinem Whatsapp-Profil ist für SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (64) Programm. In seiner Partei kämpft er an vorderster Front für eine stärkere Einbindung in die EU. So engagierte er sich für das 2021 gescheiterte Rahmenabkommen ebenso wie nun für die Bilateralen III. Oder eben für das «Stabilisierungspaket», wie er es nennt. «Wir müssen unser Verhältnis zur EU stabilisieren, das ist enorm wichtig.»

Der Bundesrat dürfte der Bevölkerung das neue EU-Päckli rechtzeitig unter den Weihnachtsbaum legen. Demnach wird die Landesregierung das Resultat an seinen Sitzungen vom 13. und 20. Dezember diskutieren – bereits tags darauf dürfte der Deal im Beisein von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern unterzeichnet werden.

Mit Rechtspopulisten im Boot?

Für Nussbaumer ein erster Etappensieg. Ob er den Sieg auch ins Ziel bringt, ist aber mehr als fraglich. Das hängt auch davon ab, wie sich die SP positioniert. «Entscheidend ist, dass wir die Lohnschutz-Frage zufriedenstellend lösen können», so Nussbaumer. «Stabile flankierende Massnahmen und europäische Integration gehören in meiner Partei zusammen.»

Eine «Non Regression»-Klausel soll dafür sorgen, dass der Lohnschutz auf dem neu festgelegten Niveau garantiert wird – egal, was in der EU künftig passiert. Nussbaumer hofft zudem auf innenpolitische Kompromisse. «Wir müssen immer beides betrachten, Lohnschutz und verlässliche Verträge müssen sich ergänzen: Ich werde das Gesamtpaket im Auge behalten – und da überwiegen mit grösster Wahrscheinlichkeit die Vorteile», so Nussbaumer.

Er geht davon aus, dass sich daher auch seine Partei hinter den Deal stellen wird. «Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die SP gemeinsam mit den Rechtspopulisten gegen die Fortführung des bilateralen Weges marschiert.»

Skepsis bei Gewerkschaften

Vielleicht aber mit den Linkspopulisten? Bei den Gewerkschaften bleibt die Skepsis weiterhin gross. «Nach aktuellem Stand sehen wir eine deutliche Schwächung wichtiger Instrumente zum Schutz der Löhne sowie schädliche Liberalisierungen im Bahn- und Stromsektor», sagt Gewerkschaftsboss und SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard (56). «Ein solches Projekt können wir nicht unterstützen.» Die Übernahme der EU-Spesenregelung bleibe inakzeptabel.

«Ein funktionierender Lohnschutz bleibt die beste Schutzklausel», so Maillard. Gleichzeitig sei es essenziell, den Lohnschutz durch zusätzliche Massnahmen im Inland weiter zu stärken. Zudem fordert er, dass die Abkommen für Bahn und Strom separat behandelt werden.

Ähnlich tönt es bei Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (44): «Uns fehlen bisher Garantien, die schwarz auf weiss den Lohnschutz auf dem heutigen Niveau sicherstellen», so der frühere SP-Nationalrat. «Wenn der Bundesrat nicht nachlegt, sind die Risiken für die Arbeitnehmenden einfach zu gross.» Auch die Signale seitens der Wirtschaft seien ernüchternd. «Statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wird die Sozialpartnerschaft zusehends attackiert.»

Wermuth pocht auf innenpolitische Massnahmen

Innenpolitische Massnahmen könnten Gewerkschaften und SP den Deal erträglich machen. «Ich wünsche mir ein Paket, das wir mittragen können. Wir wollen einen europolitischen Fortschritt», sagt SP-Co-Chef Cédric Wermuth (38). Die dafür benötigte Formel sei einfach: «Marktöffnung begleitet von sozialem Schutz.»

Er geht davon aus, dass das jetzige Abkommen deutlich besser ist als jenes von 2021. Der eingeschlagene Weg könne aber nur mit innenpolitischen Verbesserungen zu Ende gegangen werden. «Wir bieten Hand für gemeinsame Lösungen», so Wermuth. Bloss, hier blockt die Wirtschaft ab. Auch die FDP nimmt lieber ein Scheitern des EU-Abkommens in Kauf, als den liberalen Arbeitsmarkt stärker zu regulieren oder den Sozialstaat auszubauen.

So ist es alles andere als sicher, dass die Linke das Paket am Schluss unterstützen wird. Der Partei droht eine Gratwanderung zwischen EU-Turbos um Nussbaumer und dem Gewerkschaftsflügel um Maillard. Ein Szenario, welches Wermuth für unwahrscheinlich hält: «Falls sich am Ende die Rechten wirklich durchsetzen und die Europapolitik missbrauchen, um den Lohnschutz und den Service public zu schwächen, werden wir uns zusammen mit den Gewerkschaften wehren. Da gibt es keine Differenzen.»

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